Headlines

«Lehrer» auf vier Pfoten

«Lehrer» auf vier Pfoten

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

WITTLICH - Die Klasse 3c der Grundschule hat einen Schulhund. Aila kommt jede Woche als Hilfslehrer von Frauchen mit. In Deutschland gibt es etwa 1000 solche "Schulhunde".

Schulhund Aila ist der «Lieblingslehrer» der Klasse 3c. Wenn die quirlige Terrierhündin die Stufen im Treppenhaus der Grundschule «Friedrichsstrasse» in Wittlich hochspringt, schallen ihr überall frohe Kinderstimmen entgegen: «Hallo Aila!», «Schön, dass Du da bist!» Mit dabei: Frauchen Anna Schmitt, die Klassenlehrerin. «Der Hund hat die ganze Klasse positiv verändert», sagt die 28-Jährige, und beginnt den Tag mit einer «Hundestunde». Die Kinder dürfen «Platz» und «Sitz» mit Aila üben. Und müssen Fragen zum Umgang mit Hunden beantworten, etwa: «Was bedeutet es, wenn ein Hund mit dem Schwanz wedelt?» «Er ist aufgeregt», kommt prompt die Antwort.

Doch Aila kann noch weitaus mehr, als die Acht- bis Zehnjährigen für Hunde zu begeistern. «Der Hund hat es geschafft, dass sich alle Kinder gut in die Klasse integriert haben», sagt Schmitt. Ein Junge habe anfangs gar nicht gesprochen oder mitgemacht. Erst der wendige Vierbeiner, der im Klassenzimmer gerne um Schulranzen und Kinderbeine streift, habe das Eis gebrochen. «Das Kind fing plötzlich an, mit und über den Hund zu reden.» Und macht jetzt mit beim «Hunde-Rechnen» (Aila isst am Tag zwei Dosen «Schlappi». Wie viel isst sie an zwei Tagen?) oder «Hunde-Diktat». «Das macht Spaß», sagt auch Schülerin Zoe.

Immer mehre tierische Lehrer

Schulhunde werden in Deutschland immer öfter eingesetzt. Die Gründerin von «Schulhundweb», Lydia Agsten, geht davon aus, dass es bundesweit inzwischen mindestens 1000 sind. «Die Hälfte ist in Regelschulen, vor allem Grundschulen, im Einsatz, die andere Hälfte in Förderschulen», sagt die Lehrerin im nordrhein-westfälischen Iserlohn, die selbst zwei Hunde ins Klassenzimmer mitnimmt. «Der Hund schafft eine gute Lernatmosphäre.» Und habe «bessere Antennen für die Stimmung der Menschen». Anfang Oktober organisiert Agsten die erste Schulhundkonferenz in Dortmund. 80 Hundebesitzer haben sich schon angemeldet.

Auch Grundschullehrerin Gabriele Oswald-Hannemann aus Oberwiesen in der Pfalz ist begeistert, was ihre Hunde im Klassenraum bewirken. «Die Kinder gehen miteinander ganz anders um und kümmern sich um den Hund», sagt die Lehrerin an der Grundschule in Kirchheimbolanden. Der Boden ist immer blitzsauber, damit Nala – übrigens die Mutter von Aila – und Luena nichts Gefährliches fressen. «Bei uns liegt kein Spitzer oder Dreck herum», sagt Oswald-Hannemann, die seit vier Jahren jeden Tag einen Hund zum Unterricht bringt. Jacken hängen auch nicht über den Stühlen. Und leise sind die Schüler auch. «Weil sie wissen, dass ein Hund alles viel lauter hört.»

Nicht jeder Hund ist geeignet

Trotz aller Vorteile, die ein Schulhund hat: «Nicht jeder Hund ist dafür geeignet», sagt Expertin Agsten. Wenn ein Hund überfordert oder nicht richtig ausgebildet sei, sei das schlecht für Hund und Kinder. «Das Tier braucht beispielsweise auch einen Ruheplatz, wohin es sich in der Klasse zurückziehen kann.» Und der auch für Kinder tabu ist. Beliebte Schulhundrassen seien derzeit Border Collies und Australian Shepherds. Agsten schätzt, dass der Trend zum Schulhund auch eine «Gegenentwicklung zur Technisierung» ist. «Wir Menschen brauchen auch Natur und Tiere.»

Jeder Lehrer, der einen Schulhund einsetzt, sollte vorher ein Konzept entwickelt haben, meint Grundschullehrerin Schmitt. Außerdem sei eine Grundausbildung plus Besuch einer Hundeschule nötig. Den Erfolg sieht man bei Aila: Sie gibt Pfötchen, klatscht ab und erschnüffelt einen versteckten Stoff-Igel, den die Kinder versteckt haben – wenn es dafür Leckerlis gibt. Alle Kinder machen begeistert mit. «Der Hund hat keine Erwartungen an die Kinder. Er nimmt sie so, wie sie sind. Mit ihren Problemen und Unterschieden», sagt Schmitt.

Allgemeine Zufriedenheit

Die Kinder können sich Schule ohne Aila gar nicht mehr vorstellen. «Ich finde es toll, dass wir sie streicheln können, dass wir mit ihr spielen können», sagt die achtjährige Zoe. Auch Aila findet ihren Job klasse: «Wenn ich ihr morgens das ‹Besuchshund›-Geschirr anlege, ist sie immer ganz aufgeregt, weil sie weiß, es geht zur Arbeit», sagt Schmitt. Auch die Pause schmeckt der zweijährigen Hündin: Dann liegt sie hinterm Lehrerpult auf einem Stuhl und zerkaut genüsslich einen Knochen.

In Luxemburg kommen noch keine «Schulhunde» zum Einsatz. Wäre aber vielleicht einen Idee für eine kommende Schulreform.