Am Mittwochmorgen wurden die verschiedenen Rechtsvertreter beim Europäischen Gerichtshof EUGH vorstellig. Dabei geht es um das Dossier «Studienbeihilfen» und die Residenzklausel für Grenzgänger. Fünf nicht-wohnhafte Studenten hatten Klage gegen den Staat Luxemburg geführt, weil das Gesetz vom 26. Juli 2010 es ihnen als Kinder von Grenzgängern, die in Luxemburg arbeiten, untersagt, Studienbeihilfen zu beziehen.
Die Gewerkschaften OGBL, LCGB und Aleba stellten sich auf die Seite der klagenden Studenten und reichten etliche Beschwerden beim Luxemburger Verwaltungsgericht ein. Angeklagter ist der Staat Luxemburg auf dessen Seite sich Österreich, Griechenland, Dänemark und Schweden stellen. Die vierte Partei ist die EU-Kommission. Diese hatte im Juni 2012 die Niederlande in einer ähnlichen Affäre verklagt und vor dem EUGH Recht erhalten. Am 11. Januar 2012 hatte das Luxemburger Verwaltungsgericht verkündet, eine präjudizielle Entscheidung vom EUGH in dieser Sache einzufordern. Der Generalanwalt wird seine Schlussfolgerungen am 7. Februar 2013 verkünden. Der EUGH wird sein Urteil einige Monate später fällen.
Der Fall «Niederlande»
Am 14. Juni 2012 hatte der EUGH einen Urteilsspruch in der Affäre EU-Kommission versus Niederlande gefällt und hatte den Staat verklagt. Grund war eine Residenzklausel, den die Niederlande in den Gesetzestext über die Studienbeihilfen hinzugefügt hatte. Diese Klausel widerspreche dem EU-Recht zum freien Personenverkehr von Arbeitnehmern und deren Kindern innerhalb der Union, urteilte der Europäische Gerichtshof. Eine präjudizielle, also richtungsweisende Entscheidung soll nun im Fall «Luxemburg» getroffen werden.
Die Gewerkschaften OGBL und LCGB, die sich auf die Seite der Kläger stellen, hatten zahlreiche ähnliche Fälle beim Luxemburger Verwaltungsgericht eingereicht. Allein der OGBL hatte 250 Beschwerden von insgesamt 600 eingereicht.
Der Fall «Luxemburg»
Sollte eine Klage gegen Luxemburg kommen, müsse das ganze System in Frage gestellt werden, gab Hochschulminister François Biltgen bereits im Juni zu bedenken. Eine der Folgen sei eine Verdopplung der finanziellen Ausgaben für Studienbörsen. Zurzeit gibt der Luxemburger Staat 88 Millionen Euro für Studienbeihilfen aus. Würden auch die Kinder der Grenzgänger diese beziehen, beliefe sich die Summe auf über 200 Millionen Euro, so Me Kinsch in seinem Plädoyer als Vertreter des Staates vor dem EUGH.
Die ungleiche Behandlung zwischen Grenzgängern und Wohnhaften darf aber nicht auf einem rein ökonomischen Ziel basieren, so das Plädoyer des Luxemburger Staates. Deshalb muss dieses Argument mit einem «sozialen» verknüpft werden. Diesem «but social» wird dann auch die wichtigere Rolle im Plädoyer zugetragen. Dabei geht es um das Programm «Europa 2020» von der Kommission.
«Luxemburg für Luxemburger»
Durch dieses Programm soll die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Staaten in Sachen Hochschulausbildung gesteigert werden. Luxemburg zielt damit klar auf die Luxemburger Bevölkerung und nicht auf die Grenzgänger. So soll in das Studium von Luxemburgern und von jenen, die hier ansässig sind, investiert werden. Dabei geht es um den zukünftigen Arbeitsmarkt.
Der Staat sei also verantwortlich für die Ausbildung seines Volkes und verknüpft den Bürger mit dem Gebiet. Somit könne der Staat die Zukunft seines Arbeitsmarktes sicherstellen, argumentiert der Staat im Plädoyer. In Luxemburg gäbe es überproportional viele Grenzgänger, die natürlich keineswegs unerwünscht seien. Dennoch obliege es dem Staat Luxemburg, seine eigenen Bürger auszubilden. Jeder Staat sei verantwortlich für die Ausbildung seines Volkes. Auf diese Weise wird die Residenzklausel gerechtfertigt.
Der Generalanwalt wird seine Schlussfolgerungen zu diesem Dossier am 7. Februar 2013 verkünden. Der EUGH wird sein Urteil einige Monate später fällen.
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