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Grande Nation auf gewagter Mission

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In der Elfenbeinküste wie in Libyen war es Frankreich, das ganz schnell mit Waffen bei der Hand war und die Staatengemeinschaft in Militäreinsätze gegen Despoten hineinzog.

Das gleiche Frankreich, dass noch vor acht Jahren den US-geführten Einmarsch im Irak vehement abgelehnt hatte und in anderen internationalen Krisen stets dafür eingetreten war, vor dem Griff zur Waffe erst jeden anderen möglichen Ansatz auszuloten. Der Grund für den erstaunlichen Sinneswandel mag nach Ansicht von Beobachtern darin zu suchen sein, dass Präsident Nicolas Sarkozy den hochgesinnten Interventionismus der Grande Nation wiederentdeckt hat und zugleich versucht, die enge sicherheitspolitische Bindung Europas an die USA zu lockern. Angesichts der Aufstände im arabischen Raum und der wachsenden Wirtschaftsmacht Asiens wolle Frankreich, so mutmaßen sie, mit entschlossenen Militäreinsätzen zur Verteidigung der Menschenrechte die Bedeutung Europas stärken und anhaltendes Gerede über den Niedergang des Kontinents zum Schweigen bringen.

Ein weiterer Faktor: Wenn Sarkozy nächstes Jahr wiedergewählt werden will, setzt er wahrscheinlich darauf, dass Frankreichs Rolle als Verteidiger der Menschenrechte Wählerstimmen bringt. Anders als in Deutschland, hegen die meisten Bürger keine Bedenken gegen Auslandseinsätze ihrer Streitkräfte. Das Eingreifen in Libyen vorigen Monat bedeutet eine krasse Kehrtwende auch für Sarkozy selbst, der Staatschef Muammar al Gaddafi noch 2007 in Paris mit großem Bahnhof empfing. Beide Seiten unterzeichneten damals eine Reihe von Rüstungs- und Wirtschaftsabkommen.

Elfenbeinküste

In der Elfenbeinküste gingen französische und UN-Streitkräfte diese Woche als erste gegen Truppen des abgewählten Herrschers Laurent Gbagbo vor. Mit seiner früheren Kolonie verbinden Paris wirtschaftliche und kulturelle Bande und eine langjährige Militärpräsenz, von der wenig Aufhebens gemacht wird. Die rund 1.600 Mann starke «Opération Licorne» (Operation Einhorn) unterstützt die UN-Friedensmission in der Elfenbeinküste, die nach dem Bürgerkrieg 2002 zur Einhaltung des Waffenstillstandes ins Leben gerufen wurde, und soll die Sicherheit der französischen Bürger im Land gewährleisten.

Hier wie in Libyen versuche Frankreich Europa aus seiner Zögerlichkeit aufzurütteln, zur Verteidigung seiner Bürger und seiner Werte wenn erforderlich- und möglich – auch Gewalt anzuwenden, meint der Politikexperte Jean-Dominique Giuliano. Nach Ansicht des Vorsitzenden der Robert-Schuman-Stiftung sehen französische Politiker eine Gelegenheiten, einzugreifen und die europäische Flagge zu zeigen. «Die Franzosen finden, dass Europa bei der Wahrung der Menschenrechte nicht aktiv genug ist.»

Lekion Balkan

Frankreich wolle Lehren ziehen aus den Kriegen im zerfallenden Jugoslawien der 90er-Jahre, als Zögern, Diskutieren und ungeschickte Diplomatie viele Menschen das Leben kosteten. «Die Lektion des Balkans waren Massaker, französische Soldaten wurden als Geiseln genommen, schreckliche Bilder – und schließlich kamen die Amerikaner uns zu Hilfe», sagte Giuliani. «Unter französischen Politikern hat man den Eindruck, dass niemand in dieser Richtung weitermachen möchte.»

Doch Philippe Moreau Defarges vom Französischen Institut für Internationale Beziehungen (IFRI) will die Einsätze in Libyen und der Elfenbeinküste nicht in einen Topf werfen: Die einzige Ähnlichkeit bestehe darin, dass sie sich gegen Autokraten richteten, deren Regimes sich an die Macht klammern und dafür Menschen umbringen. «Einerseits ist da die ‹idealistische› Operation in Libyen, und dann ist da die realistische Operation in der Elfenbeinküste – die von konkreten Interessen bestimmt wird», sagt Moreau Defarges.

Nachdem Paris bei den Luftangriffen gegen Gaddafis Truppen eine wichtige Rolle gespielt habe, sei es politisch praktisch gezwungen gewesen, auch in der Elfenbeinküste zu handeln, erklärte IFRI-Experte Dominique Moisi. «Nach der französischen Intervention in Libyen hätte man es nicht verstanden, wenn Frankreich in der Elfenbeinküste nichts unternommen hätte», sagte er mit Hinweis auf die tausenden französischen Staatsbürger in dem afrikanischen Land und die kulturellen Beziehungen. Nach Moisis Einschätzung hat sich Sarkozy in beiden Ländern auf eine «gewagte Sache» eingelassen.