Die US-Regierung setzt Europa bei den TTIP-Verhandlungen offenbar deutlich stärker unter Druck als bisher bekannt. Dies geht aus einem Rohentwurf für das transatlantische Handelsabkommen hervor, aus dem die «Süddeutsche Zeitung» und die Sender NDR und WDR am Sonntag zitierten.
Femnach droht Washington unter anderem damit, Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie zu blockieren, um im Gegenzug zu erreichen, dass die EU mehr US-Agrarprodukte abnimmt. Gleichzeitig attackiere die US-Regierung das grundlegende Vorsorgeprinzip beim EU-Verbraucherschutz, der 500 Millionen Europäer derzeit vor Gentechnik und Hormonfleisch in Nahrungsmitteln bewahrt, berichten die Medien aus dem Entwurf, der bislang nur von Parlamentariern und anderen ausgewählten Menschen unter strenger Aufsicht eingesehen werden durfte.
11:00 Uhr
Die Dokumente offenbaren den Medien zufolge zudem, dass sich die USA dem dringenden europäischen Wunsch verweigern, die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Konzernklagen durch ein öffentliches Modell zu ersetzen. «Süddeutsche Zeitung», WDR und NDR gaben an, die Dokumente seien ihnen in Abschrift von der Umweltorganisation Greenpeace zugeleitet worden.
Greenpeace kündigte an, die Unterlagen am Montag (11.00 Uhr) auf einer Pressekonferenz in Berlin zu präsentieren. Zeitgleich werde Greenpeace Niederlande sie im Internet zugänglich machen. Laut Greenpeace handelt es sich um 13 Vertragskapitel, welche rund die Hälfte des gesamten Abkommens darstellten. Die knapp 250 Seiten zeigen demnach den Stand vor der am Freitag abgeschlossenen 13. Verhandlungsrunde vom April.
«Albtraum»
Mit der Veröffentlichung will Greenpeace den Bürgern einen ungefilterten Einblick in den Verhandlungsstand geben. Während die EU ihre Vorschläge veröffentlicht, beharren die USA bislang auf Geheimhaltung ihrer Positionen. TTIP-Gegner üben immer wieder scharfe Kritik an dieser Intransparenz. Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch sprach mit Blick auf die Unterlagen von einem «Albtraum», der «sehr bald Realität werden» könnte.
Besondere Sorge bereiten ihm die Forderungen der USA nach einer Lockerung des Verbraucherschutzes. So wollten die Vereinigten Staaten Produktverbote zum Schutz der menschlichen Gesundheit nur zulassen, wenn diese wissenschaftlich belegt seien, berichten «SZ», WDR und NDR. Europa dagegen verbietet Produkte wie hormonbehandeltes Fleisch oder Genfood häufig schon vorsorglich bei Hinweisen auf Risiken.
Fronten
In den USA kommt es dagegen oft erst zu Verboten, wenn Menschen zu Schaden gekommen sind. Klaus Müller vom Bundesverband der Verbraucherzentralen sagte zur «SZ»: «Es bestätigen sich in den Texten bisher so ziemlich alle unsere Befürchtungen bezogen auf das, was die US-Amerikaner bei TTIP in Bezug auf den Lebensmittelmarkt erreichen wollen.» Aus den Verhandlungstexten lässt sich den Medien zufolge ablesen, wie verhärtet die Fronten sind.
An vielen Stellen führen die Unterlagen die Positionen der USA und der EU gesondert an, ohne dass gemeinsame Formulierungen gefunden worden wären. Seit 2013 verhandeln die EU und die USA unter strenger Geheimhaltung über ein Freihandelsabkommen, das den Warenfluss zwischen den beiden Partnern vereinfachen und Arbeitsplätze schaffen soll.
Gegen TTIP gab es in Luxemburg regelmäßig Proteste. Die Kritiker sehen durch TTIP Gefahren für Rechtsstaat und Demokratie und befürchten den Abbau europäischer Standards etwa beim Verbraucherschutz.
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