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Gaddafi und die Loyalität der Söldner

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Über Libyen hängt das Schreckgespenst eines langen, blutigen Bürgerkriegs. Es könnte noch Monate dauern, Staatsführer Muammar Gaddafi von der Macht zu vertreiben.

Das Schicksal des ölreichen Landes dürfte davon abhängen, wie lange Gaddafis Truppen, Söldner und die Stämme Libyens, die noch auf seiner Seite sind, ihre Loyalität zu ihm beibehalten – und natürlich davon, ob der Westen militärisch im Land eingreift.

Ein langer Konflikt im Wüstenstaat könnte Libyen ruinieren, das Land entlang von Stammesgrenzen aufsplittern und noch viele weitere der sechs Millionen Einwohner zu Flüchtlingen machen. Gaddafi hat bisher in keiner Weise Ambitionen gezeigt, sich zurückzuziehen. Stattdessen hat er geschworen, bis zum Ende zu kämpfen.

«Gaddafi hat wenig Spielraum. Im besten Fall könnte er auf Asyl im Tschad oder in Simbabwe hoffen», sagt Marina Ottaway, Nahost-Direktorin beim US-Think Tank Carnegie Endowment. «Die wichtigste Frage ist, wie lange es Menschen gibt, die gewillt sind, ihn zu verteidigen.» Auch US-Aussenministerin Hillary Clinton meinte in dieser Woche, das Land «könnte eine friedliche Demokratie werden oder sich mit einem langwierigen Bürgerkrieg konfrontiert sehen».

Westen könnte Pattstellung beenden

Die internationale Gemeinschaft könnte die Entscheidung bringen, doch sie ringt noch um eine gemeinsame Position im Bezug auf ein militärisches Eingreifen. Russland dürfte sich weiterhin gegen eine Flugverbotszone über Libyen stellen, was ein gemeinsames Vorgehen unter UN-Mandat unmöglich macht. Viele politische Analysten glauben zudem, dass die USA und Europa auch angesichts der Einsätze in Afghanistan und im Irak keine neue Front in Libyen öffnen wollen.

Doch Gaddafis martialische Drohungen könnten diese Dynamik ändern, sagt Anthony Cordesman vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien in Washington. «Wenn er diese Drohungen wahr macht, wird er den Westen zwingen, sich deutlicher einzuschalten.»

Das derzeitige Patt zwischen Gaddafis Truppen und den Regimegegnern wurde in dieser Woche am Kampf um den strategisch wichtigen Ölhafen Brega, 740 Kilometer östlich von Tripolis, deutlich. Regierungssoldaten hatten die Stadt kurzfristig von den Rebellen zurückerobert, bevor sie wieder in die Flucht geschlagen wurden. Und auch näher an der Hauptstadt wurden die Gaddafi-Kämpfer immer wieder von Einwohnern zurückgeschlagen, die sich mit desertierten Soldaten verbündet hatten.

Waffen plünderten die Rebellen aus den Munitionslagern des libyschen Heers und dort liegen immer noch Unmengen an Material ungenutzt, sagt Anthony Cordesman. Denn Gaddafis 50.000 Mann starkes Heer ist zu klein und zu schlecht ausgebildet, um die riesigen Waffenreserven auch zu nutzen.

Gaddafi hielt sein Heer schwach

Das hat einen Grund. Denn Gaddafi hat seine Streitkräfte bewusst geschwächt, um einen möglichen Militärputsch zu verhindern – mit einem solchen kam auch er 1969 an die Macht. Vielmehr investierte er in seine loyalen Milizen und Söldner aus dem Ausland, die ihn umgeben. Sein Schicksal ruht bei diesen Kämpfern, vor allem bei der Brigade, die Gaddafis Sohn Chamis leitet, sagt Nordafrika-Experte George Joffe. «So lange sie loyal bleiben, kann er überleben», sagt Joffe, der an der Universität von Cambridge lehrt. Doch angesichts der internationalen Sanktionen könnte Gaddafi das Geld für seine Söldner ausgehen.

Einer von Gaddafis Söldnern aus dem Nachbarland Mali sieht das Geld hingegen nicht als Kriterium. «Wir Ausländer haben keine große Wahl, wir müssen Gaddafi unterstützen. Wegen ihm sind wir hier. Wenn wir irgendwie das Land verlassen könnten, würden wir das tun.» Seinen Namen will der Mann aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen im Telefongespräch mit der Associated Press nicht nennen, doch eine weitere Einschätzung fügt er hinzu: «Der einzige Weg zu einem Sturz Gaddafis ist, dass ihm jemand eine Kugel in den Kopf jagt. Und das kann ich mir nicht vorstellen. Die Soldaten um ihn würden das niemals zulassen.»