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Forscher lassen Flugzeug abstürzen

Forscher lassen Flugzeug abstürzen
(Screenshot/Youtube.com)

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Was genau passiert bei einem Flugzeugabsturz? Wie muss man sich als Passagier verhalten, um zu überleben? Vier Jahre Planung und ein aufwändig inszenierter Crash in der Wüste liefern Antworten.

Seit einem gescheiterten Experiment der Nasa 1984 hatte niemand mehr versucht, ein Flugzeug zu Forschungszwecken kontrolliert zum Absturz zu bringen. Doch im Frühling dieses Jahres war es so weit: Nach vier Jahren minutiöser Planung crashte ein 300-köpfiges Expertenteam eine ausrangierte Boeing 727 in den Wüstensand Nordmexikos. Im Innern: Crashtest-Dummies, Spezialkameras, Sensoren – aber kein Pilot. Der sass in einer nahe fliegenden Cessna und steuerte die Maschine per Fernbedienung.

Neben einzigartigen Aufnahmen (siehe Bildstrecke oben, Video unten) umtrieben die Forscher vor allem Sicherheitsfragen. Bei den meisten Abstürzen gibt es Überlebende. Das grosse Rätsel ist: Welche Passagiere schaffen es, welche nicht? Auf welchen Sitzen sind die Chancen am grössten? Welche Position sollte ein Passagier einnehmen, um die Kräfte des Aufpralls auf seinen Körper optimal zu absorbieren?

Fernsteuerung aus maximal 50 Metern Entfernung

Der Flug in der Sonora-Wüste verlief problemlos. Dreißig Minuten vor der Bruchlandung sprangen die Crewmitglieder mit Fallschirmen ab, drei Minuten vor Impact der Pilot. Dabei kam ihnen eine Besonderheit der Boeing 727 zu Gute: Die Heck-Einstiegsklappe. Ein Absprung durch einen der vorderen Ausgänge wäre aufgrund der Sogwirkung der Triebwerke zu gefährlich gewesen. Die größte Herausforderung bestand in der Fernsteuerung aus der Cessna. Aufgrund der geringen Reichweite durfte ihr Abstand zur Boeing höchstens 50 Meter betragen.

Der Absturz verlief nahezu perfekt. Die erfahrenen Test-Piloten hatten Landewinkel und -geschwindigkeit exakt hinbekommen. Zu langsam und zu flach hätte einfach zu einer sehr harten Landung geführt. Zu steil und zu schnell, und der Flieger hätte wie damals bei der Nasa Feuer gefangen – und mit ihm Dummies, Kameras und Sensoren. Vier Jahre Arbeit und Millionen für die Katz.

Triebwerke mussten «gelöscht» werden

Die Boeing 727, die nach dem Aufprall am Bug auseinanderbrach, verhielt sich äußerlich wie vom Hersteller vorgesehen. An den Flügeln löste sich das Fahrwerk, so konnten Beschädigungen an den Treibstofftanks und damit Feuer vermieden werden. Der Rumpf blieb mehrheitlich intakt und die Gepäckablage hielt dicht. Die Triebwerke erwiesen sich vielleicht als etwas zu robust und liefen nach dem Absturz weiter. Die mexikanische Feuerwehr musste anrücken und sie buchstäblich «löschen».

Der Crash-Test offenbarte aber auch fatale Schwächen in der Konstruktion: Die Kabine glich nach der Bruchlandung einem Kabel-Dschungel, was den Passagieren ein schnelles Verlassen erschwert hätte. Bei Rauchentwicklung ein potentielles Todesurteil. Im Unterschied zu den Flügeln löste sich das Bugfahrwerk nicht und wurde ins Cockpit gedrückt. Die ohnehin geringen Überlebenschancen der Piloten hätte das zusätzlich geschmälert.

Am meisten interessierten die Forscher die Auswertungen der Hightech-Dummies. Mit einem Wert von einer halben Million Franken waren sie ebenso teuer gewesen wie die gebrauchte Boeing. Sensoren in Kopf, Nacken, Brust, Wirbelsäule, Becken und Beinen massen, welche Kräfte mit welchen Konsequenzen auf den Körper einwirkten. Jeder Absturz ist anders. Dennoch liess die leicht nach vorne geneigte Bauchlandung in der Sonora-Wüste einige interessante Rückschlüsse zu.

Nicht zu empfehlen: Sitz 7A

Die größten Kräfte – 12g oder 12-mal die Erdanziehungskraft – wirkten auf Cockpit und die vorderen Reihen ein, wo kaum jemand überlebt hätte. Sitz 7A wurde sogar aus dem Flugzeug geschleudert. Ebenfalls schlecht sieht es unabhängig von der Sitzwahl für Unangeschnallte und Kinder auf dem Schoß aus.

In den mittleren Reihen betrug die Wucht noch 8g. Hier muss mit Verletzungen gerechnet werden, doch die Passagiere haben gute Überlebenschancen. Der Dummy in der Brace-Position brach sich das Bein, was ihn an einem schnellen Verlassen der Kabine gehindert hätte – bei Feuer und Rauch fatal. Dafür blieben im Unterschied zum aufrecht sitzenden Dummy Kopf und Wirbelsäule intakt. Ein weiteres Argument für die Brace-Position: Besserer Schutz vor umherfliegenden Trümmerteilen.

Gute Chancen, das Wrack unverletzt zu verlassen hätten die Passagiere in den hinteren Reihen. Hier wirkten die geringsten Kräfte: 6g – vergleichbar mit einem heftigen Zusammenstoß in einem Autoscooter.

Ausschnitte aus der millionenteuren Dokumentation: