Damals waren im hauptstädtischen Bahnhofsviertel zwei Männer brutal erschossen worden. Dafür verantwortlich soll ein heute 35-Jähriger sein. Er war in erster Instanz zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden.
Was war passiert?
Die Taten gehen auf die Silvesternacht 2009 zurück. Der Beschuldigte soll zwischen 21.30 Uhr und 22.10 Uhr in der rue de Hollerich in einem Hinterhof einen damals 22-jährigen Mann erschossen haben. Insgesamt viermal soll der Täter mit einem Revolver, Kaliber 22 «long rifle», auf sein Opfer geschossen haben. Kurze Zeit später, zwischen 22.15 und 22.30 Uhr, soll der Mann in der rue Joseph Junck, im Untergeschoss des Hauses Nummer 24, auf einen weiteren, damals 27-jährigen Mann geschossen haben. Bis zum heutigen Zeitpunkt wurde die Tatwaffe nicht gefunden. Bei dem Streit am Silvesterabend 2009 soll es um 150 Gramm Kokain gegangen sein. Lange Zeit war die Rede davon, dass es sich um einen Auftragsmord gehandelt habe, doch niemand konnte diese Hypothese bestätigen. Der Beschuldigte wurde im März 2010 in Spanien auf internationalen Haftbefehl verhaftet und im Mai des selben Jahres nach Luxemburg ausgeliefert.
Die Polizei kam dem Beschuldigten durch verschiedene Zeugenaussagen auf die Spur. Er wurde bereits in England zu sieben Jahren Haft wegen Raubüberfalls und in den USA zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
(pha)
Angeklagte wurde im Mai 2013 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Er selbst wies ständig jegliche Schuld von sich. Genau deswegen hat er auch Berufung gegen das Urteil aus erster Instanz eingelegt.
Zu Beginn der Sitzung am Montag ergriff der Rechtsanwalt des Angeklagten, Me Roby Schons, das Wort. Er wollte die Nichtigkeit des gesamten Prozesses fordern. «Die Richter der Ratskammer haben das Urteil nicht, wie es das Gesetz vorschreibt, unterschrieben, deswegen fordere ich die Nichtigkeit des gesamten Prozesses», so Me Schons. Sowohl müssen laut dem Verteidiger alle Zeugen (sowohl die belastenden aus auch die entlastenden) sowie alle Gutachter und Ermittler erneut von den Richtern aus erster Instanz gehört werden. Die Richter aus erster Instanz hätten laut Schons die Akte, vor allem was die Prozedur angeht, nicht ausreichend studiert. Bis heute würde es Zweifel geben, ob der Angeklagte wirklich der Täter des Doppelmordes ist.
Ein einziger Formfehler
Dieser Prozess ist laut Me Schons ein einziger Formfehler. Ein weiteres Argument, um die Nichtigkeit des Prozesses zu fordern, sah Me Schons darin, dass der Angeklagte, der zwar die französische Staatsbürgerschaft hat, jedoch nur Englisch spricht und versteht, erst eine Übersetzung der Begründung des Urteils im September des vergangenen Jahres erhielt – also fünf Monate nach dem Urteil. «Jeder hat laut Gesetz Recht auf einen fairen und gerechten Prozess. Falls der Angeklagte keinen Rechtsbeistand gehabt hätte, hätte er die Begründung des Urteils nicht verstanden und hätte demnach nie Einspruch einlegen können», so Schons. Über eine Stunde lang versuchte Me Schons das Gericht zu überzeugen, dass in diesem Prozess die Nichtigkeit der einzige Ausweg sei.
Der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft sah diese Argumente etwas anders: «Es gibt keine eindeutigen Hinweise darauf, dass die Richter der Ratskammer das Urteil nicht gesetzesgemäß signiert hätten.» Was das Recht auf die Verteidigung angeht, gibt es laut Gesetz verschiedene Möglichkeiten. Falls ein Beschuldigter mit Verteidiger vor Gericht auftritt, ist der Verteidiger das Sprachrohr des Angeklagten. Dieser erhält das Urteil in einer Sprache, die der Rechtsanwalt versteht.
Die Richter der Berufungskammer entschieden am Montag, dass die Forderungen des Anwalts Schons zum «Fond» der Affäre beigefügt werden. Im Urteil des Berufungsgerichtes wird sich dann herausstellen, ob der gesamte Prozess erneut aufgerollt wird.
Ständige Rechtfertigung
Anschließend trat der Angeklagte in den Zeugenstand. Er gab an, nie im Besitz einer Schusswaffe gewesen zu sein. Auch habe er nie mit Kokain gehandelt. «Manchmal habe ich zusammen mit Freunden einen Joint geraucht», so der Mann vor den Richtern. Was die Blutspuren angehen, die in seinem Wagen gefunden wurden, erklärte er, dass andere Leute versucht hätten, ihn in der Silvesternacht umzubringen. Er sei von einer Kugel an der Hand getroffen worden. An seinen Kleidern wurden ebenfalls Schmauchspuren gefunden. Der Vorsitzende des Berufungsgerichtes fragte den Mann, wie er sich diese Spuren erkläre. «Nicht nur an Kleidern von der Person, die die Waffe abfeuert, sondern auch an den Kleidern der Person, die getroffen wird, können solche Spuren gefunden werden», so der Beschuldigte.
Ständig versuchte der Angeklagte sich zu rechtfertigen, er habe nichts mit der Sache zu tun. Am Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt.
(Philippe Hammelmann / Tageblatt.lu)
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