Britische Clearinghäuser, über die ein Großteil der Derivate-Geschäfte in Euro abgewickelt werden, müssten nach dem Austritt Großbritanniens möglicherweise in der EU angesiedelt werden, sagte Valdis Dombrovskis, der für den Finanzmarkt zuständige Vizepräsident der Brüsseler Behörde, am Donnerstag. Eine Verlagerung sei jedoch nur eine von mehreren Optionen. Die EU müsse aber in jedem Fall sicherstellen, dass sie diese für die Finanzstabilität bedeutsamen Institute weiter effektiv kontrollieren könne.
Banken müssen die meisten Derivate-Geschäfte über Clearinghäuser abwickeln. Diese stehen im Handel zwischen Käufer und Verkäufer und springen ein, wenn einer der Handelspartner ausfällt. Dadurch soll die Transparenz und Sicherheit des Finanzsystems erhöht werden. Vom Euro-Clearinggeschäft hängen in London zehntausende Arbeitsplätze ab. Frankfurt mit der Deutsche-Börse-Sparte Eurex Clearing und Paris mit Clearnet SA hoffen, viele dieser Jobs anzulocken. Britische Politiker und Vertreter vieler Großbanken sind dagegen strikt gegen eine Verlagerung.
«Eine Anomalie, die keinesfalls fortbestehen kann»
Dombrovskis machte deutlich, dass es noch keine Entscheidung gebe. Die EU-Kommission wolle zunächst mögliche Auswirkungen prüfen und dann im Juni Vorschläge unterbreiten. Als zweite Option nannte der Lette die Kontrolle von systemrelevanten britischen Clearinghäusern durch EU-Aufseher. Eine solche Lösung wäre besser für den Finanzplatz London. Jene britische Politiker, die eine komplette Befreiung von EU-Regeln fordern, dürften ihn jedoch ebenfalls ablehnen.
Zuletzt war es zwischen EU-Kommission und der Regierung in London, die ab Juni den britischen Austritt aus der Staatengemeinschaft miteinander verhandeln sollen, zu immer mehr Spannungen gekommen. Die britische Premierministerin Theresa May warf EU-Vertretern unter anderem vor, die Unterhauswahlen am 8. Juni beeinflussen zu wollen.
Derzeit werden die meisten Euro-Derivategeschäfte über das britische Clearinghaus LCH.Clearnet abgewickelt, eine Tochter der Londoner Börse LSE. Politiker aus Deutschland und Frankreich fordern angesichts des Brexit jedoch schon länger eine Verlagerung nach Frankfurt beziehungsweise Paris. «Dass das Euro-Clearing derzeit in London und damit außerhalb der Euro-Zone stattfindet, ist eine Anomalie, die nach dem Brexit keinesfalls fortbestehen kann», sagte der EU-Abgeordnete Markus Ferber. Die europäische Aufsicht brauche effektive Durchgriffsrechte, was am besten auf europäischem Boden möglich sei. Vertreter der Londoner City argumentieren dagegen, dass eine Verlagerung nicht nur teuer wäre, sondern auch schlecht für die europäische Wirtschaft und die Finanzstabilität.
Furcht vor Fragmentierung
Dombrovskis ließ bei der Pressekonferenz nicht durchblicken, welche Option er bevorzugt. Zudem erwähnte er auf Nachfrage, dass theoretisch auch ein Festhalten am Status Quo denkbar wäre. Damit würden die EU-Behörden darauf vertrauen, dass ihre britischen Kollegen die gleichen Regeln wie sie durchsetzen. Seine Behörde müsse das Risiko einer Fragmentierung des Marktes mit der Gewährleistung der Aufsicht über wichtige Clearinghäuser in Einklang bringen, sagte der EU-Kommissar.
Clearinghäuser in den USA oder an asiatischen Finanzplätzen wie Hongkong sind aus seiner Sicht derzeit nicht systemrelevant für die EU. Allerdings würden auch dort die Marktentwicklungen beobachtet.
Zudem stellte Dombrovskis Vorschläge für eine Vereinfachung von Derivateregeln vor, die nach der Finanzkrise eingeführt worden waren. Dadurch soll die Finanzbranche um mehrere Milliarden Euro entlastet werden.
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