«Wir haben Geld geliehen, um ein älteres Haus instand zu setzen, jetzt waren wir soweit fertig und dann das …» In Tränen aufgelöst, zeigte uns damals eine Einwohnerin aus Ermsdorf das, was noch von ihrem Hab und Gut übrig geblieben war: Ein nicht mehr bewohnbares Haus und ein Berg zerstörter Möbel, Haushaltsgeräte, Kleider, Bücher, Fotoalben, Bilder usw. «Unser Leben liegt da auf der Halde, fertig zum Abtransport in Richtung Müllverbrennungsanlage …»
«Glücklicherweise haben wir keine Opfer zu beklagen», so Innenminister Dan Kersch am 23. Juli 2016. «Ein Wunder, wenn man die Zerstörung hier vor Ort sieht.» «Es ist eine sehr dramatische Situation», so Premierminister Xavier Bettel am gleichen Tag: «Hei sinn déi Momenter, wou mer all mussen zesummenhalen. Wir werden die Betroffenen nicht im Stich lassen und alles tun, was in unseren Möglichkeiten steht. Ich hoffe, dass die Versicherungen dies auch tun.»
Stockende Hilfe
Heute wissen wir, dass nicht nur die Versicherungen alles Mögliche versucht haben, um den Unwetteropfern so wenig wie nur irgendwie möglich unter die Arme greifen zu müssen. Die angekündigte «schnelle und unbürokratische Hilfe» entpuppte sich zu einer «lahmen Ente», dank prozeduralem Hin und Her. Am 3. September letzten Jahres schrieben wir an dieser Stelle: «Heute ist in vielen Fällen die angesagte schnelle Hilfe noch immer nicht angekommen und es gesellen sich für die Betroffenen weitere Probleme zu den bereits bestehenden hinzu. So sucht eine Mutter von zwei Töchtern, die zusammen in einem angemieteten Haus in Medernach wohnten, seit dem 22. Juli nach einer neuen Wohnung. Ihre beiden Kinder leben zurzeit getrennt bei Bekannten bzw. Familienangehörigen, die Mutter selbst kam bei den Ordensschwestern in Medernach unter Dach.»
Als dann die Hilfe endlich – zwar nur stockend – ins Rollen kam, mussten einige Opfer feststellen, dass der Staat ihnen einerseits wohl finanziell unter die Arme greift, andererseits aber wieder Geld durch Steuern abnimmt. Die Rede geht hier von der Mehrwertsteuer. Da hätte man glauben können, die Politiker und Beamten der zuständigen Ministerien hätten sich Gedanken darüber gemacht, doch dies geschah erst, als wir an dieser Stelle darauf hinwiesen. Den Opfern wurde bis dahin der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 3 Prozent – aus welchen Gründen auch immer – nicht zugestanden.
Ein Irrtum
So kam es, dass in einem Fall, um nur dieses Beispiel zu nennen, ein Überschwemmungsopfer bereits mehr an Mehrwertsteuer auf Rechnungen von Möbeln, Malerarbeiten, Heizungsmonteuren usw. an den Staat bezahlt hatte, als es an finanzieller Unterstützung vom Staat bekam. Das sei ein Irrtum, schallte es anschließend aus den Vorstuben der zuständigen Ministerien. Man hätte dies lediglich im Eifer des Gefechts vergessen. Man würde den Betroffenen sehr wohl den reduzierten Steuerhebesatz bewilligen.
Dass noch immer nicht bis zu Ende gedacht wurde, zeigt nun ein weiteres Beispiel. Ein Familienvater, dessen Haus am 22. Juli 2016 bis zur ersten Etage unter Wasser stand, möchte eine solche Katastrophe aus verständlichen Gründen auf keinen Fall ein weiteres Mal erleben. Da sein Haus am Ufer eines kleinen Baches steht (Anm. d. Red.: Die Gemeinde und auch der Staat haben den Bau dieses Hauses an dem bestimmten Ort damals bewilligt), einem Bach, der im Juli 2016 für die Dauer von 20 Minuten zu einem zerstörerischen Fluss wurde, möchte der Besitzer nun eine spezielle Vorrichtung für eine Hochwassermauer anbringen. Ihm liegen Kostenvoranschläge (zwischen 20.000 und 25.000 Euro) vor.
Im festen Glauben daran, dass es nicht nur ihm, sondern auch der Gemeinde und dem Vater Staat am Herzen liegt, präventiv vorzugehen, um die Kosten bei einem eventuell erneuten Hochwasser so weit wie nur möglich in Grenzen halten zu können, stellt er einen Antrag auf reduzierten Mehrwertsteuersatz.
Pustekuchen! Kein Budget für Unterstützungen irgendwelcher Art und auch der Antrag auf die reduzierte Mehrwertsteuer, die seine Ausgaben in diesem Fall um über 3.000 Euro senken würden, wurde abgelehnt.
Der Blick über den Tellerrand hinaus ist eben nicht jedermanns Sache.
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