Im südlichen Transsilvanien liegt Sibiu. Die 150.000-Einwohner-Stadt heißt auf deutsch Hermannstadt und ist eine kulturelle Hochburg in Rumänien. Dort leben auch viele Angehörige der Siebenbürger Sachsen, einer deutschsprachigen Minderheit. Viele behaupten, dass dieser alte moselfränkische Dialekt der luxemburgischen Sprache sehr nahe sei. Vor 800 Jahren wanderten viele Menschen aus der Moselregion (heutiges Luxemburg, Lothringen, Rheinland-Pfalz) aus und siedelten sich in den «sieben Burgen» in Transsilvanien an. Eine davon heißt Sibiu.
In Cisnadie, einem kleinen Dorf nahe Sibiu, treffen wir auf Siebenbürger Sachsen. «Wer spricht hier Sächsisch?», fragt der Premier auf Deutsch. «Hier, hier», rufen einige. Bettel redet nun auf Luxemburgisch und hakt nach: «Verstitt der mech?» – «Jo, mär verstoen», antwortet eine ältere Frau. «Mir riede scho Sächsech», sagt eine andere. «A wou hutt Dir Sächsech geliiert?», fragt die Erstere den Premier. «Ma ech schwätze Lëtzebuergesch, dat ass eis Sprooch», so Bettel etwas verlegen.
Luxemburgisch oder sächsisch
Die Journalisten haben Gelegenheit, etwas mit den Einwohnern zu plaudern. Natürlich auf Luxemburgisch. Und die Sachsen auf Sächsisch. Man versteht sich. Einige wenige Wörter sind dennoch schwierig abzuleiten. Aber den Sinn einer Aussage versteht man. Manche kurze Sätze klingen derart luxemburgisch, dass man schnell vergisst, dass der Gesprächspartner eigentlich Sächsisch spricht. Man fühlt sich irgendwie miteinander verbunden. Was Sprache alles ausmachen kann …
Ein gutes Beispiel für diese Verbundenheit ist die Casa Luxemburg in Sibiu. Am Vortag besuchte die Luxemburger Delegation um Xavier Bettel das Kulturzentrum, ein symbolisches Projekt, das mit Beteiligung aus Luxemburg 2002 ins Leben gerufen wurde. An diesem Projekt arbeitete auch die damalige Kulturministerin Erna Hennico-Schoepges (CSV), die sich dafür einsetzte. Schoepges und ihre rechte Hand, Guy Dockendorf, waren am Samstag in die Casa Luxemburg eingeladen worden.
Aber Schoepges war nicht nur am Projekt der Casa Luxemburg beteiligt, sondern setzte sich auch dafür ein, Sibiu zusammen mit Luxemburg und der Großregion als Kulturhauptstadt Europas zu bewerben. «Es war damals nicht einfach, Sibiu als Kulturhauptstadt Europas zu bewerben, da Rumänien noch nicht in der EU war», so die frühere Kulturministerin gegenüber dem Tageblatt. «Durch den gemeinsamen Antrag mit Luxemburg wurde es dann möglich, dies zu tun.» Kultur im Allgemeinen, aber insbesondere das Theater sei in Rumänien stets sehr wichtig gewesen, da es damals als Ventil gegen den Kommunismus eingesetzt wurde, so Schoepges.
Anderes Bild von Rumänien
Anlass der kulturellen Visite in Sibiu war das zehnjährige Jubiläum des Kulturjahres 2007. Geehrt für ihr Engagement wurden zwei wichtige Personen aus der Theaterwelt: Charles Muller, Direktor des Escher Theaters, und Constantin Chiriac, Direktor des Nationaltheaters in Sibiu.
Für Muller bringt die kulturelle Zusammenarbeit den Menschen ein anderes Bild von Rumänien. «Wir bekämpfen Vorurteile», sagt er gegenüber dem Tageblatt. «Man sieht die Künstler auf einem ganz anderen Niveau, was man nicht unbedingt mit Rumänien verbinden würde. Vorurteile zu bekämpfen ist ein wichtiger Punkt.» Am Abend wurde Daniel Plier, ein Luxemburger Schauspieler und Regisseur, zum Honorarkonsul in der Casa Luxemburg vereidigt. Er soll die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Luxemburg und Sibiu weiter ausbauen. Sein Motto lautet: «Verständigung durch Kultur.»
«Durch beide Kulturhauptstädte hat sich ein Austausch gebildet, der sehr nützlich ist», so Bettel. Dazu zähle ganz besonders die Zusammenarbeit mit dem Escher Theater. In Sibiu ist gestern die 24. Auflage des zehntägigen Theaterfestivals zu Ende gelaufen.
So wurde am Samstag das Theaterstück «Die Präsidentinnen» nach der Vorlage von Werner Schwab im Nationaltheater Radu Stanca in Sibiu aufgeführt. Gespielt durch Schauspieler vom Theater Esch/Alzette. Im Publikum sitzt die Luxemburger Delegation samt Premier Bettel, den geladenen Gästen, dem Direktor des Escher Theaters Charles Muller und Rumäniens Präsident Klaus Iohannis. Das Theaterstück ist auf Deutsch. Über dem Bühnenbild werden Untertitel auf Rumänisch und Englisch eingeblendet. «Damit jeder das Stück verstehen kann», so Alexandra, die für die deutsche Sektion des Theaters arbeitet.
Diese Aufführung zeigt, was mit Verständigung durch Kultur gemeint ist.
Mehr über den offiziellen Besuch von Premier Xavier Bettel in Rumänien lesen Sie in der Montagsausgabe des Tageblatt und auf E-Paper.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können