Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer hat ihrem Bundesland eine gewaltige Bildungskur verordnet und spielt kompromisslos eine besondere Karte aus. Kramp-Karrenbauer setzt auf die Frankreich-Kompetenz des Saarlandes. Kern dieser Strategie ist die Sprachenausbildung. Gut 20 Jahre gibt sie dem Saarland, das sich im den 30er Jahren dieses Jahrhunderts als das deutsche Bundesland darstellen soll, das über die Kompetenz Frankreich verfügt. Frau Kramp-karrenabuer wird dann wohl nicht mehr Ministerpräsidentin sein, sie kann aber sicher sein, dass die von ihr angestoßene Politik auch in 20 Jahren noch verfolgt werden wird. Im Saarland, das in den 50er Jahren nur knapp die Chance verpasste, europäisches Kernland mit Sitz der europäischen Organisationen zu werden, herrscht Einigkeit über die Frankreich-Strategie der Ministerpräsidentin.
Anders als in Frankreich, wo die Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem (Artikel) den Fremdsprachen-Unterricht gerade zurückfährt und der deutschen Sprache gerade noch drei Wochenstunden über einen Zeitraum von vier Jahren widmen will, baut das Saarland den Unterricht von Fremdsprachen – insbesondere des Französischen – aus. In keinem deutschen Bundesland lernen mehr Schüler Französisch als im Saarland. Dort werden zukünftig Abiturienten in die Universität oder auf den Arbeitsmarkt gehen, die die drei europäischen Grundsprachen – deutsch, englisch, französisch – problemlos beherrschen werden. Mit der neuen französischen Sprachenpolitik wird man das von Frankreich nicht mehr behaupten können.
In 190 Krippen lernen Kinder Französisch
Die Frankreich-Kompetenz beginnt im Saarland in den Kindertagesstätten und Krippen. In 190 von 490 Einrichtungen werden schon Kleinkinder mit der französischen Sprache vertraut gemacht und reden französisch. Allerdings erlaubt sich das Saarland eine Lücke in der Ausbildung. Nach dem Kindergarten setzt Französisch in der Grundschule erst in der dritten Klasse wieder ein. Das macht das Land Rheinland-Pfalz anders. Rheinländer und Pfälzer, die die längste gemeinsame Grenze mit Frankreich haben, beginnen ebenfalls mit der französischen Sprache im Kindergarten. Sie führen die Sprachausbildung aber bereits ab der ersten Klasse der Grundschule weiter. Im Raum Trier/Saarburg geben auch luxemburgische Eltern, die in Deutschland wohnen, ihre Kinder in die bilingualen Kindertagesstätten. Im Raum Saarburg hat diese Strategie so gut eingeschlagen, dass für die bilinguale erste Grundschulklasse die Schülerinnen und Schüler ausgelöst werden müssen. Wer nicht in die bilinguale Klasse gegen kann, ist aber nicht wesentlich benachteiligt. In den anderen Grundschulklassen wird ebenfalls französisch gelernt. Allerdings macht sich gerade im saarländisch/rheinland-pfälzisch/luxemburgischen Bereich mittlerweile ein Mangel deutlich. Die Nachfrage nach Französisch-Lehrerinnen und Lehrern in den Kindergärten ist so groß, dass man derzeit nicht genügend findet.
Die Suche auf der anderen Seite der Grenze ist dabei nicht immer erfolgreich. Französinnen, die gerne wollen, sind dann doch ein wenig abgeschreckt von der deutschen Arbeitsauffassung, beginnend mit der in Deutschland unbekannten 35 Stunden Woche und den freien Ausgleichstagen.
Im Saarland wird ab der dritten Grundschulklasse in allen 162 Grundschulen Französisch unterrichtet. In 41 Grundschulen bwereits ab der ersten Klasse. Bilingualen Unterricht gibt es in vier Grundschulen. Englisch und Französisch lernen alle saarländischen Gymnasiasten.
Das ergibt eindrucksvolle Zahlen In saarländischen Grundschulen lernen 15.385 Jungen und Mädchen Französisch. In den Realschulen oder vergleichbaren Einrichtungen sind es 7.000. In den Gymnasien, Ganztagsschulen, bis hin in die Abendschule auf dem zweiten Bildungsweg lernen im Saarland 31.348 Schülerinnen und Schüler im Sekundarbereich I und II die Sprache des französischen Nachbarn. Zählt man den Grundschulbereich hinzu, in dem deutschen Südwest-Staat fast 50.000 Jungen und Mädchen vom Alter von drei Jahren an französisch, geht aus den Statistiken des Bildungsministeriums in Saarbrücken hervor.
Wchtigster Wirtschaftspartner
Das Problem ist: Anders als im Föderalstaat Deutschland wo jedes Bundesland seine Prioritäten entwickeln kann, besteht in Frankreich eine zentralstaatliche Regelung, betont die Sprecherin des Ministeriums gegenüber tageblatt.lu. Das heißt es gilt dieselbe Sprachenfolge im Baskenland wie in Lothringen oder in der Normandie. Dabei wäre es vernünftiger, Baskenland Spanisch in den Vordergrund zu stellen, in der Normandie Englisch und in Lothringen und im Elsaß das Deutsche. In Lothringen weist der Wirtschafts- und Sozialrat seit Jahren darauf hin, dass man die deutsche Sprache fördern muss, weil Deutschland der wichtigste Wirtschaftspartner ist, aber in Wirklichkeit geschieht nichts.
Die deutsche Botschafterin in Paris hat zwischenzeitlich in einem Brief an die französische Bildungsministerin diplomatisch darauf hingewiesen, dass die geplante Reform möglicherweise nicht ganz glücklich ist. Der Leiter des Goethe Institutes in Paris verweist ganz praktisch darauf, dass man in Deutschland Arbeitskräfte braucht, in Frankreich eine hohe Jugendarbeitslosigkeit besteht, die jungen Franzosen aber in Deutschland nicht arbeiten können, weil sie die Sprache nicht sprechen.
Der Schengen Raum und der Euro haben zwar einen gemeinsamen Wirtschaftsraum entstehen lassen, in dem sich jeder ungehindert bewegen kann. Es gibt dafür aber andere Grenzen, die der Sprache. Was in Luxemburg als Prinzip gilt – die Dreisprachigkeit – die im Saarland und in Rheinland Pfalz gerade geschaffen wird, wird in Frankreich zurück geschraubt. In Paris wird nicht gesehen, dass man über mangelnde Kenntnis von Fremdsprachen neue Grenzen schafft und der Jugend die Chancen in Europa raubt.
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