Sven ist so etwas wie der Mogli unter den Hirschen. Nahe Flensburg lebt das Tier wie der Junge im Dschungelbuch in einer fremden Herde – und hat seinen Alltag an den von rund 60 Galloway-Rindern angepasst. «Was ihn genau treibt, wissen wir nicht», sagt Gerd Kämmer vom Naturschutzverein Bunde Wischen, dem die ökologischen Rinder gehören. Gefüttert werde der Rothirsch nicht.
«Anfangs war er sehr scheu, man konnte ihn nur mit dem Fernglas auf große Entfernungen sehen, inzwischen kommt man auf bis zu 20 Meter an ihn ran», sagt Kämmer über den Hirsch, über den zuvor lokale Medien berichtet hatten. «Die Galloways sind seine Herde.» Der Hirsch hält sich seit rund zwei Jahren regelmäßig auf der Weide der Rinder auf.
Eine Delikatesse
Zunächst hatten die Mitglieder von Bunde Wischen geglaubt, Sven mache nur mal Zwischenstopp bei den Rindern. In den vergangenen beiden Sommern war er auch jeweils für ein paar Wochen verschwunden. Doch ausgerechnet zur Brunftzeit kehrte er wieder zurück. Kämmer habe zunächst vermutet, dass Sven «von dannen zieht, auf der Suche nach Hirschkühen, doch gerade in dieser Zeit war er dauerhaft wieder da».
Sven sei vermutlich aus Dänemark eingewandert, sagt Kämmer. Rotwild sei in Südschleswig nämlich eigentlich nicht mehr beheimatet. Doch da die Hirsche nördlich der Grenze wenig Platz und Nahrung finden, gibt es eine wachsende Einwanderung nach Schleswig-Holstein. Im Nachbarkreis Nordfriesland hatten die Jäger jüngst bereits geklagt, durch die skandinavischen Gäste wüchsen die Schäden in den Wäldern. «Die nahrhafte Rinde junger Bäume gilt den Tieren als Delikatesse und wird gern abgeschält», teilte Ende November die Kreisverwaltung mit.
Ob Sven je wieder in einem Rotwild-Rudel heimisch wird, ist offen. Anders als seine eingewanderten Artgenossen, die laut Kämmer wegen der Menschen inzwischen vor allem nachts in den Wäldern knabberten, sei Sven wieder tagaktiv. Und selbst von der Silvester-Böllerei in der Umgebung ließ er sich nicht vergrämen.
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