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Die Nachbarn wehren sich

Die Nachbarn wehren sich
(Imago Stock&people)

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Die von vielen schon totgesagte Pkw-Maut kommt voran - wenn auch mit Nachbesserungen. Dass Brüssel damit einverstanden ist, stößt umgehend auf Proteste. Luxemburg befürwortete eine europäische Lösung.

Nach dem Ja aus Brüssel zur umstrittenen Pkw-Maut formiert sich Widerstand bei deutschen Nachbarstaaten. Die Niederlande wollen gegen eine Maut-Einführung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klagen, wie Verkehrsministerin Melanie Schultz van Haegen ankündigte. Österreich kritisierte den Kompromiss ebenfalls prompt. Das Bundesverkehrsministerium sieht möglichen Klagen gelassen entgegen und will die von der EU erwirkten Änderungen der geltenden Gesetze rasch umsetzen. Die Opposition forderte einen Stopp der Maut.

Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) verteidigte das Vorhaben gegen Kritik. Nun könnten zügig die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Gerechtigkeit auf den Straßen herrsche und der Grundsatz gelte: «Wer nutzt, der zahlt auch», sagte er am Freitag im Bundestag. Dabei werde kein inländischer Fahrer zusätzlich belastet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die außergerichtliche Einigung. Es sei gut, dass die EU-Kommission zu der Einschätzung gekommen sei, dass die Abgabe mit den Änderungen europarechtskonform sei, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Die Opposition im Bundestag warnte jedoch, die Beziehungen zu den Nachbarstaaten in Europa seien schwer gefährdet.

500 Millionen im Jahr

Brüssel hatte nach jahrelangem Streit unter der Bedingung mehrerer Nachbesserungen grünes Licht für die Pkw-Maut gegeben. Demnach sollen inländische Autobesitzer weiterhin voll für Mautzahlungen entlastet werden. Sehr schadstoffarme Autos sollen aber mehr Steuerentlastung bekommen, als sie Maut zahlen – insgesamt geht es um jährlich 100 Millionen Euro mehr als bisher vorgesehen. Außerdem sollen die Preise der Kurzzeittarife für Fahrer aus dem Ausland neu gestaltet werden. Laut Dobrindt soll es bei dem erwarteten Ertrag von unter dem Strich 500 Millionen Euro im Jahr bleiben. Angestrebt wird nun eine schnelle Umsetzung. Ein Änderungs-Entwurf solle noch in diesem Jahr in die regierungsinterne Abstimmung gehen, sagte ein Ministeriumssprecher.

Luxemburgs Nachhaltigkeitsminister François Bausch („déi gréng“) reagierte zurückhaltend auf die Einigung am Donnerstag zwischen der EU-Kommission und Deutschland. „Schade, dass man sich mit einem Land geeinigt hat“, so Bausch am Donnerstagabend dem Tageblatt. Es sei zweifelhaft, ob das Arrangement überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist. Schade auch, dass die EU-Kommission nicht die Gelegenheit nutze, um eine EU-weite Regelung in dieser Frage zu finden. Ob sich das Großherzogtum einer Klage gegen die Maut anschließt ließ der Minister offen.

Unzufriedene Belgier

Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens hat den Kompromiss zwischen Berlin und Brüssel bei der umstrittenen Pkw-Maut stark kritisiert. «Die deutsche Maut wird der wirtschaftlichen Entwicklung in der Grenzregion schaden und widerspricht nach meiner Auffassung sowohl dem europäischen Geist als auch dem EU-Recht», sagte der Ministerpräsident der Gemeinschaft, Oliver Paasch, am Freitag. So würden unter anderem rund 5.500 Pendler aus Ostbelgien unter der Maut leiden, die täglich aus beruflichen Gründen nach Deutschland führen. «Die Maut sendet ein völlig falsches Signal, gerade heute, wo sich die EU ohnehin schon in einer sehr schwierigen Situation befindet und der Zuspruch für Europa überall abnimmt», meinte Paasch. Er will dafür werben, dass Belgien beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die Maut klagt. Dafür muss er allerdings die belgische Regierung auf seine Seite ziehen, da die Deutschsprachige Gemeinschaft als Teilstaat keine Klage einreichen kann. Die Gemeinschaft ist die kleinste der drei politischen Gemeinschaften in Belgien. Etwa 77.000 Menschen leben dort.

Tschechien warnte seinerseits vor einer Ungleichbehandlung von Deutschen und EU-Ausländern durch die Maut. Ob sich Prag einer Klage anschließen würde, ist aber auch unklar. Grundsätzlich habe Berlin ein Recht darauf, eine Pkw-Maut zu erheben, sagte Verkehrsminister Dan Tok. Der österreichische Ressortchef Jörg Leichtfried hatte kritisiert, die Diskriminierung von Fahrern aus dem Ausland sei ein bisschen mehr verschleiert, aber immer noch da. Dobrindts Ministerium verwies dagegen auf die Einschätzung der EU-Kommission, dass nun ein Modell für eine diskriminierungsfreie Maut vereinbart worden sei.