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Die Angst vor Tsu

Die Angst vor Tsu
(Tsu-Screenshot)

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Während die User bei Facebook ihre Inhalte kostenlos teilen, werden sie beim kleinen Rivalen an den Werbeeinnahmen beteiligt. Es gibt Streit.

Man stelle sich vor: Facebook würde die Einnahmen aus der Werbung, die es auf den Seiten der Nutzer schaltet, mit ihnen teilen. Natürlich tut das soziale Netzwerk das nicht. Aber sein deutlich kleinerer Rivale tsu.co hat genau diesen Weg eingeschlagen. Nun ist Facebook offenbar in die Gegenoffensive gegangen, hat seit Ende September mehr als 9,5 Millionen Einträge gelöscht, in denen auf die Seite des Konkurrenten verwiesen wurde, wie Tsu behauptet. Zudem werden neue Posts geblockt, die den Text «tsu.co» enthalten. Links zu Tsu sind davon offenbar nicht betroffen, allerdings werden User gewarnt, dass diese «unsicher» seien.

Facebook verteidigt sein Vorgehen mit dem Argument, man wolle verhindern, dass sein Netzwerk mit 1,5 Milliarden Nutzern zu einem Sammelbecken für Betrüger und Abzocker werde. Tsu hält dagegen und erklärt, Facebook wolle nur nicht, dass seine User erkennen, dass ihre Fotos, Videos und persönlichen Beobachtungen bares Geld wert seien.
Das Kerngeschäft von Facebook ist es, Werbung zu verkaufen für das Material, das die User kostenlos einstellen. Da ist es natürlich verständlich, dass das Unternehmen sehr genau kontrolliert, wer seine Mitglieder erreichen darf. Schließlich hat Facebook, dessen Markwert auf rund 300 Milliarden Dollar geschätzt wird, kein Interesse daran, Traffic für einen potenziellen Wettbewerber zu generieren.

Streit

Streitereien zwischen Technologiekonzernen wie der zwischen Facebook und Tsu (Link) haben eine lange Geschichte. Beinahe immer reklamieren die Kontrahenten für sich, im Interesse ihrer Kunden zu handeln. Erst kürzlich verbannte etwa Amazon die Streaming-Geräte seiner Konkurrenten Google und Apple aus dem Sortiment, um den Weg für seine eigenen Produkte frei zu machen. Mehrere Banken blockierten in den vergangenen Tagen eine Finanzplanungssoftware – und verwiesen auf Sicherheitsbedenken.

Tsu, das vor gut einem Jahr an den Start ging, ist schnell gewachsen. CEO Sebastian Sobczak sagt, man habe bereits vier Millionen Mitglieder. Zudem habe man rund elf Millionen Dollar Beteiligungskapital eingesammelt. Der Schlag von Facebook gegen Tsu kam ohne Vorwarnung und traf Scharen von Nutzern, darunter auch Rapper 50 Cent, der mit seinen mehr als 38 Millionen Facebook-Fans einen Link auf ein Video bei Tsu geteilt hatte. Facebook sagt, dass Tsu seine User dafür bezahle, Links auf anderen Seiten zu posten – eine Belohnung, die nicht mit den Regeln von Facebook vereinbar sei.

Vernetzt

Sobczak verneint, dass seine Firma Menschen dafür bezahle, dass sie Links auf Facebook posten. Tsu-Nutzer würden dafür bezahlt, wie viel Werbung sich an ihren Posts verkaufen lassen. Dieses Beteiligungsmodell ähnelt dem von anderen großen Anbietern wie der Videoplattform YouTube, die zu Google gehört. Die Links zu YouTube können bei Facebook weitgehend problemlos geteilt werden – bislang.

«Es fühlt sich so an, als ob man uns rausgepickt hat. Sie versuchen einen Wettbewerber mit einem effizienteren Business-Modell zu stoppen», sagt Sobczak, ein ehemaliger Risikokapitalanleger. Claudia Everest hat sich inzwischen von Facebook ab- und Tsu zugewendet. Dort sucht sie Käufer für ihre Hundegemälde zum Preis von 30 Dollar. Ihrer Ansicht nach versucht Facebook, die Aufmerksamkeit von Tsus Einnahmebeteiligungsmodell abzuwenden. «Ich glaube nicht, dass sie Angst vor Tsu haben, sondern vielmehr davor, dass die Leute erfahren, dass ihr Content einen Wert hat», sagt Everest, die in Stoke in Großbritannien lebt. «Das Bild, das man von einem Abendessen am Vorabend gepostet hat, sieht nicht so aus, als hätte es einen Wert. Aber für die Werbeindustrie hat es einen.»

Geschäft

Andere User werfen Facebook vor, dass es seinen Algorithmus immer wieder so verändere, dass die Zahl der Nutzer begrenzt wird, die einen bestimmten Post sehen. Solche Änderungen haben etwa den langjährigen Facebook-User Kevin Hinkle aus Lake Mary im US-Staat Florida vergrault. Fast 5000 Freunde hatte er bei Facebook, doch er hatte das Gefühl, dass seine Posts bei weitem nicht alle erreichten.

Für Hinkle bedeutete diese reduzierte Präsentation, dass er bei weniger Menschen für seinen Job als Lebensberater werben konnte. Das Feedback bei Tsu hat ihn dagegen sehr erfreut. Seit der Eröffnung seines Accounts vor einem Jahr hat er nach eigener Aussage etwa 4100 Dollar eingenommen – mit 10 bis 20 Posts pro Tag. «Jetzt sieht es so aus, als könnte das ein Facebook-Herausforderer werden», sagt er. «Ich denke, Facebook sieht, wohin sich die Dinge entwickeln können und weiß, dass das alles andere als gut für es wird.»

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