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Der verführte Verführer

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Bei einer viertägigen Pilgerfahrt nach Taizé soll es 2008 zum Missbrauch durch den Pfarrer Emile A. an einem seiner damals 13-jährigen Schutzbefohlenen gekommen sein, für den er sich vor der Kriminalkammer verantworten muss.

Am Freitag ging der Prozess bei nicht nachlassendem Publikumsinteresse in die vierte Runde. Wieder lobte ein Zeuge den Angeklagten als langjährigen Freund über den grünen Klee. „Ech hunn en zeréckgestouss“, habe dieser ihm gesagt. Doch habe er einen Fehler gemacht.

Die Vorsitzende zeigte sich im weiteren Verlauf der Anhörung ungehalten, weil fast alle Zeugen das Opfer als Täter darstellen wollten. Auch eine Mutter von vier Messdienern konnte „ëm Gottes wëllen“ nichts gegen den Beschuldigten sagen.

Sie habe einen elfjährigen Sohn und würde diesen jederzeit mit dem Beschuldigten auf einen Ausflug lassen. Ob die Zeugin, die Psychologin ist, sich dessen bewusst sei, dass Missbrauch bei Kindern bleibende Schäden hinterlässt, wollte der Anwalt des Opfers wissen.

„Das Leben des Opfers hat nicht mit 14 Jahren angefangen“, so die Zeugin etwas sybillinisch, wollte dies aber nicht an sexuellen, sondern eher an schulischen Problemen festmachen. Man solle sie nicht als Psychologin fragen, denn sie habe lange nicht mehr gearbeitet.

Dem Bistum wurde erneut vorgeworfen, den Pfarrer den Wölfen zum Fraß vorgeworfen zu haben. Und die Wölfe sind, wie so oft in diesen Kreisen, selbstverständlich die Journalisten, auch wenn während der Verhandlung der Begriff der „Lügenpresse“ nicht fiel.

Gegenseitiges Einverständnis?

Der angeklagte Pfarrer präsentierte sich dem Gericht anschließend selbst als Opfer. Schon im Bus habe ihn der Junge angemacht, indem er über seinen eigenen Penis strich. Beim Besuch der Kapelle in Tournus wollte das Opfer ihn küssen, als das Licht ausging.

Warum er die Gesten eines minderjährigen Schutzbefohlenen nicht ignorierte und zurückwies, sondern als sexuelle Signale deutete, wollte die Vorsitzende wissen. Er sei damals von der Last der Arbeit ausgebrannt gewesen und sei schwach geworden.

Der Angeklagte fand es schon lästig, wenn ein Jugendlicher wie das Opfer neben ihm urinierte. Dieser habe zu warten, bis der Erwachsene fertig sei. Die öffentliche Anklägerin erinnerte ihn an seine Aussagen, dass er schon länger von der für ihn sexuellen „Anmache“ wusste.

Er habe alles versucht, nicht mit dem Opfer in einem Bett zu schlafen. Warum keine Einzelzimmer für Erwachsene gebucht waren, wusste er nicht. Der Junge sei mit einer Erektion auf ihn zugekommen und dann sei es zur Masturbation gekommen. Basta! (sic)

Als er selbst eine Erektion bekam, habe der Verstand ausgesetzt. Es sei wie beim Fußballspieler, der ein Foul begeht. Alle Zuschauer wissen, warum und wie das geschah, nur er selbst kann es sich nicht erklären. Er sei froh, dass ihn seine Freunde nicht fallenließen.

Er war nicht mein Opfer

Einige hätten ihm sogar einen Lorbeerkranz gedreht, so die Vorsitzende. Vom Gericht solle er sich jedoch kein Lob erwarten, umso mehr, da es an den drei Tagen mehrmals zum Sex kam. „Er war nicht mein Opfer und ich war nicht sein Opfer“, sagte der Angeklagte, der sich danach beschwerte, dass er vom Strafvollzug wie ein Schwerverbrecher behandelt worden sei. Das habe ihn aber nicht daran gehindert, vor dem U-Richter in aller Ruhe Masturbation und Fellatio zu gestehen.

Der Anwalt des Opfers erinnerte den Beschuldigten daran, dass sein Mandant immer bei der gleichen Version geblieben sei, während er selber nun schon bei der sechsten angekommen sei. Dies trage wohl kaum zu seiner Glaubwürdigkeit bei, so der Nebenkläger.

Der Prozess wird am Dienstagmorgen fortgesetzt.