Der tödliche Bombenreigen begann um 14:10 Uhr im Bus-Bahnhof Smithfield. Sechs Minuten später explodierte der nächste Sprengsatz im Brookvale Hotel; sieben Minuten danach ging eine Bombe im LMS-Bahnhof hoch. 75 Minuten lang erschütterte Detonation auf Detonation die nordirische Hauptstadt. Als die Explosionen – es waren mindestens 20 – endlich aufhörten, waren neun Menschen tot und etwa 130 verletzt. Zwei der Verletzten starben später im Krankenhaus. Der 21. Juli 1972 ging als «Bloody Friday» in die Geschichte ein.
Die meisten Sprengsätze explodierten, ohne dass Menschen dabei zu Schaden kamen. Zwei Autobomben forderten indes einen hohen Blutzoll: Allein beim Anschlag auf den Busbahnhof in der Oxfordstreet starben sechs Menschen. Und eine 50-Pfund-Bombe, die in der Cavehill Road explodierte, tötete drei Personen. Der Terror der unablässigen Detonationen versetzte die Bevölkerung in Panik – verängstigte Menschen irrten in der Stadt umher und wussten nicht, wo sie Schutz suchen sollten. Ein Polizist schilderte 1997 der BBC seine Eindrücke: «Man hörte die Leute schreien, weinen und stöhnen. Das Erste, was mir ins Auge fiel, war ein menschlicher Torso, der mitten auf der Strasse lag.»
Revanche für den «Bloody Sunday»
Zur Panik trugen die Bombenwarnungen der IRA bei, die allerdings meistens viel zu kurzfristig vor den Detonationen bei den Sicherheitskräften eintrafen. Daneben gab es auch eine Reihe von falschen Warnungen, die das Chaos noch vergrösserten. So wurden mehr als einmal Personen aus einem gefährdeten Gebiet weggebracht und gerieten dabei in die Nähe einer anderen Detonation. Die IRA warf später den Briten vor, diese hätten absichtlich nicht auf die Warnungen reagiert, um die IRA so in Misskredit zu bringen. In Wahrheit hatten die Terroristen die Fähigkeit der Sicherheitskräfte überschätzt, auf zahlreiche Warnungen gleichzeitig zu reagieren.
Mit dieser beispiellosen Anschlagsserie revanchierte sich die «Belfast Brigade» der «Provisional Irish Republican Army» für den «Bloody Sunday» vom 30. Januar desselben Jahres. An jenem «Blutigen Sonntag» hatten britische Soldaten in Londonderry auf unbewaffnete nationalistische Demonstranten geschossen und dreizehn von ihnen getötet. Das Blutbad hatte den Nordirland-Konflikt massiv verschärft und der IRA starken Zulauf beschert.
Politische Isolation
Zuerst hatte sich die Terror-Organisation zwar stark genug gefühlt, um einen Waffenstillstand auszurufen und geheime Gespräche mit London aufzunehmen. Doch die Verhandlungen blieben ohne Ergebnis und am 9. Juli endete der Waffenstillstand. Die multiplen Anschläge waren die Antwort der IRA auf den Verhandlungsstopp und eine Machtdemonstration.
Die Machtdemonstration geriet jedoch zum Desaster. Manche, die sich nach dem «Bloody Sunday» der IRA angeschlossen hatten, waren entsetzt über das skrupellose Vorgehen der Organisation. Der «Bloody Friday» war ein Wendepunkt; hier begann die allmähliche politische Isolation der IRA, der auch der militärische Niedergang folgte. Die Briten wiederum reagierten mit Härte auf das Blutbad: Innerhalb von zehn Tagen beseitigte die Armee sämtliche No-go-Zonen, die sich die IRA in den katholischen Vierteln von Londonderry und Belfast geschaffen hatte. Ein langanhaltender Abnutzungskrieg war die Folge.
Erst im Jahr 2002 entschuldigte sich die IRA für den «Bloody Friday» bei den Angehörigen der Opfer.
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