Glaubt man der britischen Zeitung Guardian, dann herrscht seit der vergangenen Woche in der britischen und irischen Luftfahrt-Industrie Alarmstimmung. „Offizielle“ der Europäischen Union, so das Blatt, sollen die britischen Fluggesellschaften darauf hingewiesen haben, dass sie beim Brexit den europäischen Luftraum verlieren würden.
Der europäische Luftraum ist der offenste in der Welt. Jede europäische Luftfahrtgesellschaft kann von jedem Flughafen in der Union starten zu einem anderen fliegen. Das Prinzip des offenen europäischen Luftraum hat entscheidend zur Entwicklung von Low Cost Gesellschaften in Europa geführt. Es ließ die Entwicklung von Ryanair zu, von Easy Jet, von Wizzair oder von Eurowings.
Fluggesellschaften wie Easy Jet mit ihrer Basis London Luton oder sogar Ryanair könnten in erhebliche Turbulenzen geraten. Ist Großbritannien aus der Europäischen Union ausgetreten ohne einen Vertrag geschlossen zu haben, dann dürfen sie in Europa nicht mehr fliegen. Es sind maximal Punkt zu Punkt Flüge von London zu kontinentalen Destinationen möglich, wenn entsprechende Überflugrechte vereinbart wurden.
Erhebliche Turbulenzen
Selbst Ryanair bekäme Schwierigkeiten. Das Unternehmen hat seinen Sitz zwar in der Europäischen Union. Die Besitzer aber sind mehrheitlich Briten. Europäische Vorschriften besagen aber, dass die Freiheiten des europäischen Luftraumes nur jemand nutzen darf, der europäisch ist, sprich neben seinem europäischen Firmensitz mehrheitlich europäische Eigentümer hat. Das ist bei Ryanair nicht der Fall. Die Aktionäre sind mehrheitlich britische und amerikanische Investmentfonds. Da Ryanair in Dublin beheimatet ist und Großbritannien sich noch in der Europäischen Union befindet, spielte das bisher keine Rolle. Ist Großbritannien draußen, sind auch die Aktionäre draußen und Ryanair erfüllt die Bedingungen nicht mehr. Flüge von Charleroi, Beauvais, Hahn oder auch Luxemburg gäbe es nicht mehr.
Ryanair Chef Michael O´Leary war während des Wahlkampfes um den Brexit ein glühender Verfechter dafür, dass Großbritannien in der EU bliebe. Nicht nur wegen der Aktionärsregel, sondern weil Großbritannien der Hauptmarkt für das Unternehmen ist. Die Insel stellt 28 Prozent des Umsatzes des Billigfliegers dar.
Luftfahrt-Abkommen
Ein Brexit ohne Luftfahrt-Abkommen nimmt den Briten den freien europäischen Himmel. Großbritannien würde auch aus den internationalen Verträgen aussteigen und die Luftfahrt Abkommen zwischen der Europäischen Union zum Beispiel mit den USA nicht mehr nutzen können. Denn: So frei der Himmel innerhalb der Union ist, so abgeschottet ist er für Flieger von draußen. Für Briten und Europäer ist die Europäische Union aber ein lukratives Geschäft. Unbestätigten Meldungen zufolge soll jeder zweite Passagier, der einen britischen Flughafen nutzt, nach Europa reisen.
Gibt es keine Einigung werden britische Fluggesellschaften wie Easy Jet ihren Sitz nach Europa verlegen müssen, um ihre Geschäftsbasis zu behalten. Die wallonische Tageszeitung La Libre Belgique schreibt, dass es sich bei dem Gesamtkomplex um etwa 270.000 Arbeitsplätze und Umsätze im Wert von 15,7 Milliarden Pfund handelt, die auf dem Spiel stehen sollen.
Der Brexit hat in der Luftfahrt aber auch einen anderen Gesichtspunkt. Nicht nur die Europäer können einen imaginären Zaun in der Luft ziehen. Wer beruflich nach London fliegt, kann dies aus Luxemburg mit der Luxair sieben Mal am Tag tun. Der beliebteste Flughafen für Geschäftsflüge, ist der City Airport. Hier schweben die Maschinen fast aller europäischen Fluggesellschaften im Minuten-Takt ein, spucken ihre Passagiere aus, nehmen neue an Bord und starten wieder.
Tritt Großbritannien aus der EU ohne Luftfahrtabkommen aus, dann ist es Drittland. Und dann muss die luxemburgische Regierung ein Luftfahrtabkommen mit Großbritannien abschließen, damit die Luxair weiter ohne Probleme nach London fliegen kann.
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