Im Kommandoraum sind große Überwachungsbildschirme, das Lagerhaus ist voll mit Rettungsausrüstung. Ein graues Betongebäude dient als Trainingsort. Was ist dies hier in Serbien? Ein harmloses Zentrum für Katastrophenhilfe, wie es Moskau behauptet, oder ein Außenposten für russische Spionage im Herzen des Balkans?
Manche westliche Nichtregierungsorganisationen und Militäranalysten sagen, dass die Russen eine nur mühselig getarnte Militärbasis geschaffen hätten, die amerikanische Militärinteressen in der Region auszuspähen versuche. Während Serbien Moskau weiterhin nahesteht, sind seine Nachbarn zunehmend misstrauisch, was die russischen Absichten betrifft – vor allem frühere Ostblockstaaten wie Bulgarien, Rumänien (Link) und Ungarn, die nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang unter der kommunistischen Herrschaft der Eisernen Faust zu leiden hatten.
Spekulationen
Wenn es sich um eine militärische Operation handelt, wäre der Stützpunkt der erste des Kreml in Europa außerhalb der früheren Sowjetunion seit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes in den frühen 1990er Jahren.
Die Einrichtung liegt nahe einem Flugplatz in der südserbischen Stadt Nis. Nach Einschätzung westlicher Analysten ist es eine Basis, die gemeinsam von den Regierungen Russlands und Serbiens betrieben wird – als Antwort auf die Expansion der Nato in der Region. Jedes Land um Serbien herum gehört entweder dem westlichen Militärbündnis an oder möchte ein Mitglied werden.
«Erfindung»
Der russische Partner in dem Zentrum ist das Moskauer Ministerium für Notsituationen, eine mächtige halbmilitärische Behörde, zu deren Aufgaben Hilfe in Katastrophenfällen zählt. Aber sie führt auch Aufträge für russische Sicherheitsdienste aus. Das Ministerium hat schon seit langem eine Rolle in Serbien gespielt, unter anderem bei der Minenräumung und der Beseitigung anderer nicht explodierter Sprengkörper, die nach der Bombardierung Serbiens durch die Nato 1999 zurückgeblieben waren.
Bei der Eröffnung des Zentrums 2012 wies Russlands damaliger Energie- und heutiger Verteidigungsminister Sergej Schoigu anhaltende Spekulationen zurück, Moskau wolle sich in Serbien eine militärische Basis schaffen. Das sei «reine Erfindung».
Nato-Vertreter ihrerseits haben es abgelehnt, sich über die Art der Einrichtung zu äußern, sagen lediglich, sie seien nicht zu besorgt darüber – worum auch immer es sich handele. Vertreter der Europäischen Union haben klar gemacht, dass Serbien sich den Nothilfe-Programmen der EU anschließen und russischen den Rücken kehren müsse, wenn es der Nato beitrete, was Serbien möchte.
Gummiboote
Bei einem jüngsten Besuch in dem sogenannten Russisch-Serbischen Humanitären Zentrum gab es kaum sichtbare Hinweise darauf, dass die Einrichtung anderen Zwecken dienen könnte als der Bekämpfung von Waldbränden, Fluten oder anderen Naturkatastrophen. Die Bilder, die Reportern der Nachrichtenagentur AP auf den Videoschirmen in Kommandoräumen gezeigt wurden, stammten weitgehend von Überwachungskameras innerhalb der Einrichtung.
Im Lagerhaus waren ein Krankenwagen, ein Jeep, verpackte Zelte, Gummiboote und sonst überwiegend Ausrüstung zur Brandbekämpfung zu sehen.
«Schaut euch diese James-Bond-Technologie an», scherzte der russische Co-Direktor der Einrichtung, Wiatscheslaw Wlassenko, während Leinwände für eine Videopräsentation jüngster Aktivitäten des Zentrums ausgerollt wurden. Draußen übten derweil russische Ausbilder mit serbischen Feuerwehrleuten.
Wlassenko zufolge ist die Einrichtung in keinster Weise dafür ausgerüstet, das benachbarte Rumänien auszuspionieren, wo unlängst amerikanische Abfangraketen stationiert worden sind. Oder auch das Kosovo, wo sich Nato-Friedenstruppen und ein US-Stützpunkt befinden.
«Gerüchte»
«Das sind alles nur Gerüchte. Es ist nicht möglich, dieses Zentrum in eine Spionageeinrichtung zu verwandeln. Es ist sehr klein, wir haben nur einen Stab aus drei Serben und fünf Russen und darüber hinaus nichts anderes (…), und die Gebäude gehören uns nicht einmal.»
Der Russe beklagte, dass Nachbarländer wie das Nato- und EU-Mitglied Kroatien oder auch Mazedonien und Bosnien, die Mitglied werden wollen, abgeneigt seien, sogar bei größeren humanitären Katastrophen russische Hilfe anzunehmen. So etwa in der Flüchtlingskrise mit fast einer Million Menschen, die im vergangenen Jahr über den Balkan kamen.
Saktionen
Die Kroaten hätten auch während kürzlicher Waldbrände an der Adriaküste den Einsatz großer russischer Flugzeuge zur Feuerbekämpfung «ohne jede Erklärung» abgelehnt. Sogar Zelte zur Unterbringung der Flüchtlinge habe Kroatien nicht gewollt. Und Bosnien habe auf ein Angebot, eine Vereinbarung über gemeinsame Aktionen im Fall von Naturkatastrophen abzuschließen, nicht einmal reagiert.
«Es ist alles nur Politik», so Wlassenko. «Sie sagen, Wladimir Putin ist schlecht, Russland will dominieren (…). Politische Motivation sollte aus humanitärer Hilfe herausgehalten werden.»
Serbien möchte auch der EU beitreten, aber will es sich zugleich nicht mit Moskau verderben. So hat es sich geweigert, sich den amerikanischen und EU-Sanktionen gegen Russland wegen dessen Aggressionen in der Ukraine anzuschließen.
Meinung
Die von den USA geführte Bombardierung Serbiens 1999 hat viele Menschen im Land stark gegen den Westen aufgebracht und für Russland erwärmt. Die Einwohner von Nis, die damals schwer getroffen wurden, waren geteilter Meinung, als sie gefragt wurden, was sie von der russischen Präsenz in ihrer Stadt halten.
«Ich würde lieber unsere (russischen) Brüder in unserer Stadt sehen als westlichen Abschaum», sagt Radovan Mihajlovic. Petar Jovanovic teilt den Argwohn über die wahre Rolle des Zentrums. «Die Öffentlichkeit kennt nicht die ganze Wahrheit. Ich glaube, dass etwas vor sich geht, von dem die Öffentlichkeit nichts weiß.»
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