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Das Ende einer Epoche in Lothringen

Das Ende einer Epoche in Lothringen
(AFP)

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ArcelorMittal hat das Ende der Hochöfen in Lothringen eingeläutet. Die französische Regierung darf versuchen, die Arbeitsplätze am Standort Hayange zu retten.

Die Hochöfen in Florange sollen nicht wieder angeblasen werden, teilte die französische Generaldirektion am Montag in Saint Denis mit. Die Nachricht, um die es ging, wurde eine Stunde nach Beginn der Sitzung durch die Gewerkschaften in die Öffentlichkeit getragen: ArcelorMittal wird die Hochöfen in Florange nicht wieder anblasen. Das Unternehmen gibt der französischen Regierung aber die Möglichkeit, als Makler aufzutreten und die Hochöfen zusammen mit der Kokerei zu verkaufen. Die Regierung hat 60 Tage Zeit, sprich bis zum 30. November einen Käufer zu finden. ArcelorMittal lässt sich damit auf eine Bitte ein, die Staatspräsident François Hollande während eines Gespräches am Donnerstag vergangener Woche an ihn gerichtet hatte. Ursprünglich, so hatte der Minister für die Wiederherstellung und Bewahrung industrieller Arbeitsplätze, Arnaud Montebourg, am vergangenen Donnerstag gesagt, hatte sich die französische Regierung einen Zeitraum von drei Monaten für ihre Maklertätigkeit gewünscht.

ArcelorMittal hat gleichzeitig den Beginn für die Verhandlungen über den Sozialplan auf den 16. Oktober festgelegt. Das liegt noch in der Maklerphase der französischen Regierung. Betroffen sind nach Angaben des Unternehmens 629 Stahlwerker. Sie werden kein schönes Weihnachtsfest haben. Der weltgrößte Stahlkonzern wird die Walzstraßen weiter betreiben. Die Zukunft der Walzstraßen hat seit Juli und Oktober, als die Hochöfen schlafen gelegt wurden, nie zur Diskussion gestanden. Die 2.000 Arbeitsplätze, die mit den Walzstraßen verbunden sind, sind von der Hochöfen-Entscheidung nicht betroffen, teilt ArcelorMittal mit. Das Material, das in Florange zukünftig gewalzt wird, kommt per Zug aus Dünkirchen und wird dort in den Hochöfen und der Stahlfabrik hergestellt. ArcelorMittal bildet so in Frankreich zwei Schwerpunkte zur Roheisen- und Brammenherstellung. Die Brammen werden anschließend auf verschiedene Walzstraßen in Frankreich verteilt. Der Effekt liegt in der größeren Auslastung der jeweiligen Werke und Walzstraßen. Luxemburg ist durch dieses innerfranzösische System nicht betroffen, sagt ein Sprecher des Unternehmens.

Gewerkschaften sind unzufrieden

Die Entscheidung, die Hochöfen und die Kokerei zum Verkauf zu stellen, hat keine Begeisterung bei den Gewerkschaften ausgelöst. Sie analysieren, dass auf diese Weise die Anlage in zwei geteilt wird. Auf der einen Seite Hochöfen und Kokerei (Die Heiß- / Flüssigphase) und auf der anderen Seite, die Walzstraßen (Kaltphase). Die Gewerkschaften sind nicht davon überzeugt, dass es unter diesen Umständen gelingen wird, einen Interessenten für die Hochöfen und die Kokerei zu finden. Sie haben am Montag bereits angekündigt, dass sie den Kampf um ihre Arbeitsplätze weiterführen würden. Punktuelle Maßnahmen sollen weiter Druck auf Regierung und ArcelorMittal ausüben. Am Montag war der Gesamtbereich um das Stahlwerk in Florange/Hayange gesperrt. Absperrgitter waren miteinander verschweißt worden.

Die Stillegung der Hochöfen oder ihr möglicher Verkauf erfolgen in der Phase einer strukturellen Stahlkrise. In Florange wird Flachstahl hergestellt. Diese Stahlproduktion leidet in Frankreich unter einer um 24 Prozent gesunkenen Nachfrage. In Europa liegt die Nachfrage derzeit um 25 Prozent unter der Nachfrage des Jahres 2007, also von vor der Finanzkrise, sagt Robrecht Himpe, innerhalb des Konzerns zuständig für die Flachstahlsparte und Mitglied der Generaldirektion.

Blaffart versucht zu beschwichtigen

Henri Blaffart, Vizepräsident von ArcelorMittal Europa, sicherte den Beschäftigten in Florange/Hayange zu, dass es keine Entlassungen geben werde. «Die Altersstruktur in Lothringen ist so, dass man mit Vorruhestand, mit Ruhestand, mit Versetzungen an andere Produktionsorte arbeiten kann», sagte er gegenüber dem französischen Nachrichtensender LCI. Angesprochen auf das von Lakshmi Mittal im Jahre 2006 gegebene Versprechen, dass es in Lothgringen zu keinem Abbau kommen werde, antwortete Blaffart: «Wen Sie in Florange Stahl produzieren, den Sie dann nicht verkaufen können, dann macht das doch keinen Sinn». ArcelorMittal, so Blaffart, brauche diese Hochöfen nicht mehr, denn es sei keine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in der Stahlindustrie in Sicht. Nicht in der Diskussion stünde, dass ArcelorMittal diese Hochöfen an die französische Regierung übergebe und sie faktisch verstaatlichen lasse. Es sei lediglich so, dass die Regierung Interessenten suche. Dann würde sich ArcelorMittal mit dem Interessenten unterhalten. «Wir haben, obwohl das nicht zur Diskussion stand, den Hochöfen die Kokerei hinzugefügt, weil die Hochöfen sie braucht. Wird es keinen Interessenten geben, dann behalten und die Hochöfen werden stillgelegt». Der französische Staat würde nicht Besitzer werden, sagte Blaffart.

Blaffart wehrte sich dagegen, dass ArcelorMittal in Hayange/Florange nicht investiert habe. «Wir haben in den vergangenen fünf Jahren zwei Milliarden Euro in Lothringen investiert», betonte er in dem Gespräch.

Umstrittenes Projekt gestorben

Mit der Schließung der Hochöfen in Hayange/Florange ist zumindest für Lothringen auch das Projekt Ulcos gestorben. Ulcos heißt: abgasarme Stahlherstellung. In Lothringen sollte im Rahmen dieses Projektes Kohlenstoffdioxid in den Boden gepresst werden. Ein nicht unumstrittenes Projekt. Lakshmi Mittal hatte das Projekt, das ursprünglich in Brandenburg am Standort Eisenhüttenstadt beheimatet war; geteilt und die Verklappung nach Lothringen gelegt. Der Grund lag in einer Zusage Mittals gegenüber Präsident Sarkozy bei der Schließung des Elektrostahlwerkes von Gandrange. Es gibt Spekulationen, dass das Projekt nun nach Eisenhüttenstadt zurückwandert.

Die Flachstahlsparte von ArcelorMittal hat im ersten Halbjahr 2012 rund 340 Million Euro Verlust nach 499 Millionen Verlust im zweiten Halbjahr 2011 gemacht. Die Investitionen lagen im vergangenen Jahr bei einer Milliarde Euro.

ArcelorMittal betreibt in Frankreich 50 verschiedene industrielle Tätigkeiten an 150 verschiedenen Orten. Das Unternehmen leistet 35 Prozent der europäischen Stahlproduktion, obwohl der Konsum, in Frankreich nur bei zehn Prozent im Bereich des Flachstahls liegt. ArcelorMittal werde, teilt das Unternehmen mit, in Florange weiter investieren.