Gewalt gibt es nur noch an Straßensperren in schiitischen Dörfern. Doch die Ruhe in der Hauptstadt wirkt wie die Ruhe vor dem Sturm.
Auf dem Lulu-Platz im Herzen von Manama, wo am vergangenen Wochenende noch das Zeltlager der Demonstranten stand, pflügen Arbeiter jetzt mit Bulldozern und Baggern den Boden um. Nichts soll mehr an die Proteste und die Zusammenstöße erinnern, die sich auf dem Platz mit dem Perlenmonument in den vergangenen Wochen abgespielt haben: Aus, vorbei, Schwamm drüber.
Ausgangssperre verkürzt
Die Ausgangssperre wurde verkürzt. Die Börse hat wieder geöffnet. Doch die Chancen, dass die Einwohner des kleinen Königreichs Bahrain jetzt schrittweise zur Normalität zurückkehren, stehen nach Einschätzung unabhängiger Beobachter trotzdem nicht gut.
Denn von einer Lösung der innenpolitischen Krise zwischen dem von Saudi-Arabien unterstützten sunnitischen Herrscherhaus und der mehrheitlich schiitischen Opposition ist man jetzt weiter entfernt als noch vor einem Monat. Außerdem hat sich der Protest, der am 14. Februar als Kampagne für demokratische Reformen begonnen hatte, auf der Straße verselbstständigt.
Wie in Ägypten …
Die Situation erinnert an das, was im vergangenen Monat in Ägypten geschah, als ein harter Kern von «Revolutionären» nach Tagen der Gewalt erklärte: «Wir gehen erst nach Hause, wenn er (Präsident Husni Mubarak) geht.» Auch in Bahrain gibt es im Lager der Regimegegner inzwischen eine Gruppe meist jugendlicher Hardliner, die den Forderungskatalog der Opposition um einen Punkt erweitern wollen: König Hamad bin Issa al-Chalifa soll abdanken.
Noch ist diese Ansicht nicht mehrheitsfähig. Doch manche Beobachter spekulieren, dass sie es werden könnte, wenn die Nachbarstaaten Saudi-Arabien und Iran weiter Öl ins Feuer gießen. Das sunnitische Herrscherhaus von Saudi-Arabien hatte Anfang dieser Woche bereits Truppen nach Bahrain geschickt. Die Iraner, die sich mit ihren schiitischen Glaubensbrüdern in Bahrain solidarisch erklärt haben, beschränken sich bislang noch auf Verbalattacken.
Keiner geht arbeiten
Kaum jemand erscheint an diesem diesigen Wintertag zur Arbeit. Die großen Einkaufszentren sind geschlossen. Vor den gläsernen Hochhaus-Trutzburgen des Finanzbezirks stehen Panzer. Im Viertel Al-Adlija umstellen zwei Dutzend schwer bewaffnete Einsatzkräfte in blauen Uniformen ein Wohn- und Bürogebäude. Wen sie dort festnehmen wollen, weiß niemand. Die Gerüchteküche brodelt. Angeblich soll es in der Nacht einen Versuch gegeben haben, Scheich Ali Salman, den Vorsitzenden der schiitischen Oppositionsgruppe Wifak, festzunehmen.
In der Wifak-Zentrale geht es zu wie in einem Taubenschlag. Ständig kommen Männer mit gepflegten Drei-Tage-Bärten und schlechten Nachrichten. Über den noch vor einer Woche Dialog der Opposition mit der Herrscherfamilie Al-Chalifa über größere Kompetenzen für die gewählten Volksvertreter spricht hier im Moment niemand. In der Nacht sind sechs Aktivisten verschiedener Couleur festgenommen worden, darunter auch Ibrahim Scharif, der Vorsitzende der linken Waad-Gesellschaft. «Im Salmanija-Krankenhaus hat man heute einen Arzt abgeführt, mitten aus dem Operationssaal», empört sich Sajjid Hadi al-Mussawi. Er saß als einer von 18 Wifak-Abgeordneten im Parlament, bis seine Fraktion nach den ersten gewaltsamen Aktionen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten im Februar ihre Mandate niedergelegt hatte.
Hilfreiche Verstärkung?
Die Verstärkung aus Saudi-Arabien und den Emiraten, die am Montag kam – weitere Truppen aus Katar und Kuwait sollen folgen – hat der Herrscherfamilie von Bahrain zwar dabei geholfen, die Innenstadt von Manama wieder vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Doch mittelfristig könnten diese Hilfstruppen die Lage noch komplizierter machen, weil sie für viele Oppositionelle ein rotes Tuch sind.
«Diese sunnitischen Soldaten schießen auf uns, die wir unbewaffnet sind», erklärt ein junger Schiit, der die Protestwelle von Anfang an begleitet hat. «Wenn das noch lange andauert, dann schickt die Führung in Teheran vielleicht doch noch ein Schiff mit Waffen, und die schickt sie dann nicht an moderate Schiiten wie mich oder an die Wifak-Gesellschaft, sondern an die religiösen Hardliner. Diese Fundamentalisten haben im Moment ohnehin schon großen Zulauf, weil viele Menschen hier von den Amerikanern enttäuscht sind. Sie hätten gehofft, dass die USA als enger Verbündeter Bahrains mehr unternehmen würden, um die Gewalt gegen Demonstranten zu beenden.
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