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Bei Großherzogs zu Tisch

Bei Großherzogs zu Tisch
(Isabella Finzi)

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Mehr als 500 Meisterwerke der Goldschmiedekunst aus der reichhaltigen persönlichen Silberkammer des großherzoglichen Hofes werden jetzt in Luxemburg gezeigt.

Ein «Augenschmaus und ein Stück Familiengeschichte» sagt der ehemalige Konservator des Nationalmuseums und Kammerherr von Großherzog Jean, Jean-Luc Koltz, über die Ausstellung, die am Freitag im MNHA ihre Türen öffnet und bis zum 13. Januar des nächsten Jahres zu sehen sein wird. Der Tafelaufsatz mit dem Heiligen Georg als Drachentöter und die spektakulären Terrinen sind nur auf Abruf in der Ausstellung in der vierten Etage des kunsthistorischen Museums. Sie werden zur Hochzeit von Erbgroßherzog Guillaume mit Gräfin Stéphanie de Lannoy kurzzeitig zur Bewirtung der Gäste entliehen, um pünktlich zur Öffnung des Museums am 22. Oktober wieder in der Ausstellung zu stehen. «Auch ohne diese Prunkstücke ist sie sehenswert», unterstreicht Direktor Michel Polfer. Das Museum erhebt allerdings an den paar Tagen, wo es ohne die mächtigen Stücke auskommen muss, keinen Eintritt.

Familiengeschichte

Die komplette Ausstellung ist eine fürstliche Prachtentfaltung und ein bedeutsames Kapitel der großherzoglichen Familiengeschichte. Großherzog Adolph war in der Tat kein armer Mann, als er 1890 den luxemburgischen Thron «erbte» und nach 24-jährigem Exil wieder zu den regierenden Fürstenhäusern gehörte. Er war in erster Ehe mit der russischen Großfürstin Elisabeth Michailowna verheiratet, einer Nichte des russischen Zaren Nikolaus. Sie brachte eine beachtliche Aussteuer mit in die Ehe, darunter das russische Tafelservice, das noch heute bei großen Staatsempfängen benutzt wird. Es wurde beim französischen Silberschmied Aucoc in Auftrag gegeben, die 1.800 Teile wurden wahrscheinlich aber von unterschiedlichen Meistern gefertigt. Deshalb sind nicht alle Dekore einheitlich. Viel hat die junge Fürstin nicht von ihrem pompösen Tafelgeschirr profitiert. Sie starb ein Jahr nach der Hochzeit im Kindsbett.

Herzog Adolph zu Nassau heiratete wenige Jahre später Adelheid Marie, eine Prinzessin von Anhalt-Dessau. Als Mitglied der ältesten deutschen Adelsfamilie war auch sie kein armes Mädchen, selbst wenn sie ihre Empfänge im Tafelsilber ihrer Vorgängerin ausrichtete. Ein Teil des umfangreichen Silbers wurde in der Tat erst nach dem Tod Elisabeths geliefert. Die Herzogin hatte nämlich Teile des Services wieder einschmelzen lassen.

Vergoldete Toilettengarnitur

Doch auch der Herzog zu Nassau hat vor seiner Hochzeit mit der russischen Großfürstin nicht von Papptellern gegessen. Die Schätze seiner Vorfahren, Fürst Carl Christian zu Nassau-Weilburg und Prinzessin Caroline von Oranien-Nassau-Dietz empfangen die Besucher im ersten Teil der Ausstellung mit einer beeindruckenden vergoldeten Toilettengarnitur und goldenem Tischbesteck, das Prinzessin Caroline von ihrer Mutter bekam. Ihnen gegenüber stehen die holländischen Terrinen, die der Fürst daraufhin in Auftrag gab. Diese Stücke aus dem Jahr 1760 bilden den Grundstein der prunkvollen Familiensammlung. Einzelne Teile sind noch älter, ein Münzpokal wird bis auf 1530 zurückdatiert.

Das prunkvolle Hirschgeweih mit dem Kelch, aus dem die Jagdgäste des Fürsten Wilhelm zu Nassau-Dillenburg ihren Willkommenstrunk bekamen, die Email-Miniaturen aus Gold, die spektakulären, äußerst seltenen Münzpokale, das zehnteilige Reisebesteck, das Schachspiel, das die jüdische Gemeinschaft Herzog Adolphe zu Nassau zur Hochzeit schenkte. Die einzelnen Stücke folgen einander, erzählen immer wieder neue Geschichten.

Nicht zu veräußern

Die Schätze der großherzoglichen Silberkammer gehören zum «Fideikommiss», also gewissermaßen der Krone. Großherzog Adolphe hat sie 1890 mit ins Land gebracht. Seitdem sind sie nach altdeutschem Recht unveräußerbar, unteilbar und nicht von der Krone zu trennen. Die Stücke sind auf drei Standorte verteilt; ein Teil davon ist im Palais in der Hauptstadt sowie in den Residenzen der beiden Großherzöge in Colmar Berg und Fischbach. Sie werden dort von Spezialisten fachgerecht gelagert und gepflegt, viele werden bei großen Anlässen noch benutzt. Ihr historischer Wert blieb lange Zeit unbekannt, erst seit einigen Jahren ist mit Muriel Prieur eine Fachfrau mit der historischen Betreuung des Bestandes beauftragt. Vor ihr hatten Jean-Lou Koltz und Pierre Even die bestehenden Inventare bereits analysiert, ausgewertet und mit den historischen Daten abgeglichen.