Die Begrüßung mit Schüssen beeindruckt nur die Besucher. Die Soldaten im Schützengraben an der Front zwischen Bergkarabach und Aserbaidschan kennen es nicht mehr anders. Zu lange schon dauert dieser Konflikt, in dem die Karabacher nicht einmal das Völkerrecht auf ihrer Seite wissen.
Wir befinden uns hier rund eine Autostunde ostwärts von Stepanakert entfernt. So heißt die Hauptstadt dieser kleinen Republik, die von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird. Die Fahrt an die Front führt an verlassenen und zerstörten Dörfern vorbei. Viele hunderte Ruinen sind die stummen Zeugen des großen Krieges, der hier von 1992 bis 1994 wütete. Mindestens 30.000 Tote gab es damals, als Bergkarabach sich mit der militärischen Unterstützung Armeniens seine Unabhängigkeit von Aserbaidschan erkämpfte.
Folgenschwere Entscheidung
1991 verkündeten die beiden Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan ihre Unabhängigkeit. Später im selben Jahr zog Bergkarabach nach. Das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Gebiet war 1921 von Stalin Aserbaidschan zugeschlagen worden. Eine folgenschwere Entscheidung, auch 95 Jahre danach noch.
Aserbaidschan erkannte die bergkarabachische Abtrünnigkeit 1991 nicht an, schickte seine Panzer in dieses bergige Gebiet. Armenien sprang für Bergkarabach als Schutzmacht ein. Heute zeugen die Häuserruinen von den beiden folgenden Jahren.
Aus Sicherheitsgründen fliegt der Hubschrauber von Eriwan nach Stepanakert meist sehr tief
Der Waffenstillstand von 1994 war immer brüchig. Was aber vor einem Monat passierte, in einem vier Tage dauernden Krieg, war nicht der Bruch eines Waffenstillstands. Es war eine ebenso abrupte wie opferreiche Eskalation. Die Agenturen berichteten von mehr als hundert Toten. Die Menschen in Stepanakert und die Soldaten im Schützengraben sprechen von 500 Opfern auf beiden Seiten, wenn nicht von 1.000.
Fest steht: Zum ersten Mal seit langer Zeit wurde mit Panzern und Raketenwerfern schweres militärisches Gerät aufgefahren. Unklar bleibt: Wer verantwortlich für den Ausbruch ist. Beide Seiten schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Der gegenseitige Hass wurde über Jahre kultiviert.
Bei den Soldaten der Front
Das Tageblatt war vergangene Woche in Bergkarabach, sprach in Stepanakert mit Außenminister Karen Mirzoyan über Politik («Der Tag, an dem wir zum totalitären Staat werden, ist der Tag, an dem auch Bergkarabach stirbt»), die Rolle Europas und Bergkarabachs Platz darin («Wir rauchen zu viel, trinken zu viel und essen zu viel Cholesterin – wir passen zu Europa!»), und besuchte die Soldaten an der Front. Wenige hundert Meter von den aserbaidschanischen Truppen entfernt warten sie auf den nächsten Angriff. Auf einen baldigen Frieden zu warten, das haben sie sich abgewöhnt. Und dann gab es noch eine zufällige Begegnung mit einem Luxemburger, der die Ansprüche Bergkarabachs im Europaparlament verteidigt und in Stepanakert den Präsidenten Bergkarabachs besuchte.
Lesen Sie die ganze Reportage in der Montagsnummer im Tageblatt
Zu Demaart
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