Und wenn Arnaud Montebourg im Gespräch mit Luxemburgs Wirtschaftsminister die Grundlagen seiner Industriepolitik entwickelt hätte? Ursprünglich hatte er am vergangenen Freitag der Öffentlichkeit die Grundzüge seiner Politik vorstellen wollen. Dann kam ihm die Ankündigung des Automobilherstellers PSA dazwischen, im Norden von Paris ein Werk mit 8.000 Mitarbeitern zu schließen.
Am Montag, musste Montebourg erstmals seine Ideen mit einem anderen Minister diskutieren, im Ausland. Eingetroffen per TGV um 9.45 Uhr wurde er von Minister Schneider um 11 Uhr vor dem Wirtschaftsministerium begrüßt. «Ich bin auf einer Tour durch Luxemburg, Belgien, Deutschland, Spanien, um einen Kooperationspakt gegen ArcelorMittal zu schmieden.», sagt er gegenüber den wartenden Journalisten vor dem Wirtschaftsminmisterium. «Wir müssen den Stahl wieder in die Hand bekommen, wie das zu Zeiten der Montanunion der Fall war», fügt er an und geht. Montebourg hatte ursprünglich vor, gar nicht mit Journalisten in Luxemburg zu reden. Nun spricht er die beiden Sätze aus, mit denen er für einige Zeit für Ruhe in Florange gesorgt hatte und mit denen er seit Wochen in Frankreich hausieren geht.
Probleme
Im Gespräch mit dem Wirtschaftsminister wird er konkreter. Die Grundfrage, der sich Schneider anschließt, lautet: «Wie kann man ArcelorMittal dazu bringen nicht Werk für Werk in den verschiedenenen Ländern unter dem Vorwand der Überkapazität zu schließen». «Das Problem», so Schneider im Gespräch mit dem Tageblatt, «ist, dass hier Werke geschlossen werden die an sich schwarze Zahlen schreiben, nur um die Rendite zu erhöhen». Montebourg, so Schneider, bereite für Frankreich ein entsprechendes Gesetz vor. Im September wollen sich Wirtschafts-/ Industrieminister in Paris treffen, um diesen Gesichtspunkt länderübergreifend zu bereden. Es gibt dabei noch den Vorbehalt, dass die Minister Belgiens, Deutschland, Spaniens zustimmen.
Große Probleme bereitet im Umfang mit ArcelorMittal der Eindruck, dass das Unternehmen nicht transparent sei. «Warum diskutiert der Stahlkonzern nicht offen mit den Regierungen», fragt Schneider. «Ich treffe Michel Wurth etwa dreimal in der Woche und dann muss ich im Tageblatt lesen, was ArcelorMittal beabsichtigt. Solch ein Vorgehen schafft Misstrauen», sagt Schneider.
Anordnung
Vertrauen besteht auch in Frankreich nicht. Nach Tageblatt-Informationen gibt es durchaus Kontakte zwischen ArcelorMittal und Minister Montebourg oder seinem Büro. Nur: nach dem ersten Treffen kündigt Montebourg seine Europatour für eine Anti-ArcelorMittal Allianz an. Bei dem weltgrößten Stahlkonzern wächst der Eindruck, dass die französische Regierung ihm die Unternehmenspolitik vorschreiben wolle, zumal Monteboourg bei der Ankündigung gleich hinzufügte, dass er davon ausgehe, dass ArcelorMittal in Florange während der Zeit des Gutachtens nichts verändere. Das klingt nach richterlicher Anordnung. In den Führungsetagen des weltgrößten Stahlkonzerns wächst der Eindruck, dass die französische Regierung dem Unternehmen vorschreiben wolle, wie es geführt werden müsse. Und das irritiert.
Montebourg kommt mit anderen Ideen nach Luxemburg, die er schon während des Wahlkampfes im Frühjahr 2012 geäußert hat. Das große Thema heißt Wettbewerbsfähigkeit. Montebourg geht dieses Thema nicht von der Seite an, dass man die Unternehmen eines Landes fit machen müsse. Er meint, dass man bei den Importen ansetzen muss. Er schlägt ein europäisches Labeling vor. Das heißt, Produkte, die von außen in die europäische Union eingeführt werden, sollen bestimmten Kriterien entsprechen. Die soziale Situation der Arbeiter soll eine Rolle spielen. Deren Gehalt, kurz die Umstände der Produktion. Produkte, die dieses Label nicht verdienen, sollen mit einem Sonderzoll belegt werden. Das Label könne sich zu einem europäischen Qualitätslabel entwickeln. Montebourg verweist in diesem Zusammenhang stets auf die USA, die gerade einen Sonderzoll auf chinesische Solarzellen erheben, weil sie mit Dumpingpreisen eingeführt werden. Das ist eher eine Schutzvorstellung, denn eine Wettbewerbsvorstellung. «Aber», sagt Minister Schneider, «Wir müssen diese Probleme angehen. Wir können nicht immer nur die technischen Probleme auf europäischer Ebene diskutieren, die die Kommission uns vorgibt. Wir müssen auch über die vielen Freihandelsabkommen reden, die wir abschließen. Sie werden häufig von uns genau eingehalten, aber wenn es an unsere Exporte geht, dann stoßen wir auf Hindernisse. Hier müssen wir klare Positionen beziehen».
Einigkeit
Montebourg und Schneider sind sich einig geworden, dass man diese Themen auf den Tisch legen und darüber reden muss. Es scheint in einem ersten Anlauf nicht einmal nötig, darüber Einigkeit zu erzielen. Denn beide Minister waren sich darüber einig, dass der schwerste Brocken, den es zu bewältigen gilt, nicht in Asien zu Hause ist, sondern mitten in Europa liegt. Deutschland mit seiner marktwirtschaftlichen Überzeugung. Und dabei dreht es sich um das Land, das von politischen Magazinen in Frankreich als «Das einzige Land in Europa bezeichnet wird, das in der Mondialisierung angekommen ist und dort eine wichtige Rolle spielt. Deutschland von der Philosophie des Colbertismus zu überzeugen, dürfte für Minister Arnaud Montebourg eine Herkules-Aufgabe bedeuten. Aber hat sich jedenfalls vorgenommen, seine Thesen auch in Berlin zu vertreten.
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