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Nippons ausgebeutete Jugend

Nippons ausgebeutete Jugend
(Kiyoshi ota)

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Japans Wirtschaft kämpft weiter mit enormen Problemen. Gut ein Drittel der Beschäftigten arbeitet inzwischen in unsicheren Arbeitsverhältnissen.

Niedrige Löhne, unbezahlte Überstunden, Schikanen: In Japan, der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt, müssen sich nicht nur immer mehr Menschen mit unsicheren, niedrig bezahlten Teilzeitjobs abfinden. Manche dieser Teilzeitkräfte, vor allem Studenten, werden dabei zu Opfern regelrechter Ausbeutung. «Black Baito» wird das Problem in Japan genannt, bei dem Unternehmen junge Menschen als billige Arbeitskräfte missbrauchen. Der Begriff setzt sich aus dem englischen Wort für «Schwarz» und einer Abwandlung des deutschen Wortes «Arbeit» zusammen. «Black Baito» ist zu einem so ernsten Problem geworden, dass Experten nun Alarm schlagen.

Nach jahrelanger wirtschaftlicher Stagnation sind inzwischen mehr als ein Drittel der Beschäftigten in unsicheren Arbeitsverhältnissen tätig. Bei gleicher Arbeit wie die festangestellten Mitarbeiter, für die noch immer das alte Ideal einer lebenslangen Anstellung gilt, verdienen sie deutlich weniger. Sie haben keine Aussicht auf ein Weiterkommen, die Gewerkschaften kümmern sich nicht um sie.

Prekäre Lage

Die prekäre Lage der nicht festangestellten Mitarbeiter führt bisweilen zu regelrechter Ausbeutung. Zum Inbegriff von Black Baito wurde die Imbiss-Kette Sukiya. In ihren täglich 24 Stunden geöffneten Filialen führte sie den «Ein-Mann-Betrieb» ein, bei dem ein einziger Mitarbeiter auch die Nachtschichten alleine stemmen musste. Arbeitszeiten von 22.00 bis 9.00 Uhr morgens und dann wieder von 11.00 bis 15.00 Uhr waren nicht selten. Die Mitarbeiter litten unter Schlafmangel und Stress. Der Fall sorgte für Wirbel, so dass schließlich auch der Staat auf das Problem aufmerksam wurde.

Nach einer Umfrage des Gesundheits- und Arbeitsministeriums unter 1000 Studenten berichteten laut der Zeitung «Asahi Shimbun» 60,5 Prozent der Befragten von Ungerechtigkeiten am Arbeitsplatz. So mussten sie deutlich mehr arbeiten oder in anderen Schichten als vereinbart, Überstunden wurden nicht bezahlt, gesetzlich vorgeschriebene Pausen gestrichen.

Black Union

«Wenn die Studenten durch harte Teilzeitarbeit fertig gemacht werden, kommen sie nicht mehr zum Studieren», beklagt Hiroto Watanabe, der die Studentengewerkschaft «Black Union» gründete und leitet. Sie setzt sich für Studenten und Oberschüler ein, die Opfer von Ausbeutung werden. In einem besonders krassen Fall wurde ein Student, der als Kellner bis zur Erschöpfung arbeitete, schon bei kleinen Fehlern mit Strafzahlungen unter Druck gesetzt. Als er kündigen wollte, wurde er eingeschüchtert, er werde mit seinem Zeugnis keine neue Arbeit finden. Als er sich dann doch dazu entschloss, wurde ihm am Telefon gedroht: «Wir bringen dich um».

Viele japanische Unternehmen gerade im Dienstleistungssektor, so erläutert Watanabe in der Zeitung «Mainichi Shimbun», könnten nur dank billiger Teilzeitkräfte Gewinne machen. Das Problem setzt sich für viele Studenten im weiteren Berufsleben fort. Wer in Japan als Uni-Absolvent nicht gleich eine reguläre Anstellung findet, endet oft als Teilzeitkraft. «Wenn man nur irreguläre Jobs hatte, ist man, sobald man in seinen 30ern ist, kein attraktiver Arbeitnehmer mehr», erklärt Richard Katz vom Oriental Economist.

Alterung der Gesellschaft

Dies wiederum verschärft ein weiteres Problem, mit dem Japan kämpft: das der schrumpfenden Bevölkerung in Folge sinkender Geburtenraten. Nur knapp ein Drittel der nicht festangestellten Männer in den 30ern sind verheiratet, verglichen mit 66 Prozent der Männer im gleichen Alter, die fest angestellt sind. Eine Reform des Arbeitsmarktes werde die größte Herausforderung der nächsten drei Jahre sein, sagte Ministerpräsident Shinzo Abe kürzlich in einem Interview.

Derweil herrschen an seiner «Abenomics» genannten Wirtschaftspolitik immer größere Zweifel. Trotz massiver Geldschwemme durch die Zentralbank kommt die Wirtschaft nicht vom Fleck, Löhne und Investitionen ziehen kaum an, die Inflation stagniert. Abe will, dass die Gehälter für nicht festangestellte Mitarbeiter angehoben und gleiche Arbeit mit gleichem Lohn bezahlt wird. Ein Expertengremium befasst sich derzeit mit nötigen Änderungen an der Gesetzgebung. Doch es herrscht Skepsis, ob es am Ende wirklich zu tiefgreifenden Veränderungen kommen wird.