Am 17. Februar erhob sich das libysche Volk gegen Muammar al Gaddafi. Die anfängliche Euphorie und die Hoffnung auf einen schnellen Erfolg schwanden schnell. Der Aufstand beschränkte sich weitgehend auf den Osten des Landes, und die Machtstrukturen, die der Diktator in seiner mehr als 40-jährigen Herrschaft errichtet hat, erwiesen sich als stärker denn erwartet. Ohne das Eingreifen der westlichen Luftstreitkräfte am 19. März, basierend auf einer Resolution des UNO-Sicherheitsrats, wäre die Revolution wohl gescheitert.
Inzwischen haben die Aufständischen ihre Stellung konsolidiert. Am Dienstag hat Jordanien den Nationalen Übergangsrat in Bengasi als legitime Vertretung des libyschen Volks anerkannt. Die USA luden die Rebellenregierung ein, in Washington ein Büro zu eröffnen. Selbst Russland, das sich im Sicherheitsrat der Stimme enthalten hat, anerkennt den Übergangsrat als «legitimen Partner bei Verhandlungen über die Zukunft Libyens», wie Aussenminister Sergej Lawrow nach dem Besuch eines Rebellenvertreters erklärte.
Militärische Stagnation
Militärisch allerdings kommen die Aufständischen bestenfalls im Schneckentempo voran. Zwar sind im Grenzgebiet zu Tunesien Kämpfe ausgebrochen. Und in ihrer westlichen Hochburg Misrata konnten die Rebellen den Belagerungsring der Gaddafi-Truppen so weit zurückdrängen, dass sie die Stadt nicht mehr mit Artillerie und Raketen beschiessen können. Westliche Medienvertreter berichten von einer Rückkehr zur Normalität in Misrata.
An der östlichen Front bei Adschdabija hingegen sind kaum Fortschritte zu verzeichnen, obwohl der wilde Rebellenhaufen zunehmend wie eine richtige Armee agiert. Und in der Hauptstadt Tripolis gibt es nach wie vor keine Anzeichen für eine Volkserhebung. Die Nato verstärkte deshalb in den letzten Tagen ihre Luftangriffe auf Tripolis. Diese bringen Muammar al Gaddafis Regime ins Wanken. Dafür spricht die angebliche Flucht seiner Frau und Tochter nach Tunesien. Auch der Ölminister soll übergelaufen sein.
Einsatz von Kampfhelikoptern
Doch der zähe Beduine Gaddafi klammert sich eisern an die Macht, zur Frustration des Westens. Britische Regierungsvertreter erklärten gegenüber dem «Guardian», sie hoffen auf einen baldigen Zusammenbruch des Regimes, doch die Erwartungen seien gering. Dabei ist die internationale Gemeinschaft zum Erfolg verdammt. Ein Verbleib Gaddafis an der Macht wäre ein verheerendes Signal an die arabischen Völker, warnen Nahost-Experten, und eine Ermutigung für andere Autokraten wie Syriens Assad und Jemens Saleh.
US-Präsident Barack Obama und der britische Premierminister David Cameron betonten in einem gemeinsamen Beitrag für die «Times» ihre Bereitschaft, den Druck auf Libyen aufrecht zu erhalten, bis die UNO-Resolutionen «vollständig umgesetzt sind». Dabei setzen Frankreich und Grossbritannien auf den Einsatz von Kampfhelikoptern. Offiziell erklärt die britische Regierung, ein Entscheid sei noch nicht gefallen, doch gegenüber dem «Guardian» hieß es, die Helikopter würden nach Libyen geschickt und auch benutzt.
Die Zeit drängt
Mit Kampfhelikoptern lassen sich Gaddafis Soldaten effizienter bekämpfen, doch ihr Einsatz birgt auch die Gefahr einer Eskalation. Eine Entsendung von Bodentruppen wäre dann nicht mehr fern, vor allem wenn ein Helikopter abgeschossen werden sollte. Die Nato aber scheint bereit, dieses Risiko einzugehen, denn die Zeit drängt. Bald kommt die grosse Sommerhitze, und am 1. August beginnt der Fastenmonat Ramadan – kein idealer Zeitpunkt, um gegen ein islamisches Land Krieg zu führen.
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