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Di Rupo offiziell noch immer nicht Regierungsbildner

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Auch zwei Monate nach den Parlamentswahlen, die den Weg für eine tiefgreifende Staatsreform freimachen sollten, herrscht im Königreich Belgien Unsicherheit über die Zukunft des Landes.

Von unserem
Korrespondenten
Joseph Lehnen
 

Seit über einem Monat ringt der sogenannte Präformator Elio Di Rupo mit flämischen und frankophonen Sozialisten (SP.A und PS), Christdemokraten und Humanisten (CD&V und CDH), Grünen (Groen! und Ecolo) sowie den flämischen Separatisten (N-VA) um eine minimale gemeinsame politische Linie einer künftigen Regierung, wahrscheinlich unter seiner Führung. Doch der frankophone Sozialist stößt nicht nur bei den flämischen Parteien auf Widerstand, allen voran die flämisch-autonome N-VA, sondern auch bei den Frankophonen aus Wallonien und Brüssel.

Ersteren kann die künftige Autonomie der eigenen Region nicht weit genug gehen, Brüsseler und Wallonen scheinen dagegen davor noch immer Angst zu haben. Am Mittwoch Nachmittag empfing König Albert II. Elio Di Rupo zu einem Zwischenbericht in Audienz. Heute und morgen will das belgische Staatsoberhaupt die verhandelnden Parteichefs ebenfalls empfangen. Und am Samstag soll dann der Präformator seine Vorverhandlungen zur Bildung einer neuen belgischen Regierung fortsetzen.

Die letzten Meter sind am schwierigsten

Nach einer einwöchigen Gesprächspause hatte Di Rupo in der vergangenen Woche seine Rundtischgespräche mit den sieben Parteien wieder aufgenommen. Es fehlt inzwischen nicht viel bis zu einer Einigung über eine Staatsreform, aber die letzten Meter fordern am meisten Kraft und Durchhaltevermögen. Es fehlt allen Beteiligten noch der Mut, über den eigenen Schatten zu springen.

Mal herrscht verhaltener Optimismus bei den Gesprächspartnern, mal schlägt die Skepsis wieder durch. Dieses Wechselbad der Gefühle hat auch schon ein erstes Opfer gefordert. Ausgerechnet der nach außen so robust wirkende Nationalist Bart De Wever ging in die Knie. Ihm war während einer die Nerven strapazierenden Sitzung übel geworden und er musste das Treffen vorzeitig verlassen, um sich erholen zu können. Doch kaum von dem Ungemach erholt, nahm er am vergangenen Montagmorgen zu einem neuen Schlag aus und verlangte ein fundamental neues Finanzierungsgesetz für die Regionen, das aber den Frankophonen ein Gräuel ist. Davon bekommen sie die Schwindsucht, im wahrsten Sinne des Wortes. Dieses Gesetz regelt die Geldströme zwischen dem Zentralstaat und den Teilstaaten. Mit diesem Instrument könnten die „reichen“ Flamen Brüssel und Wallonien finanziell trockenlegen. Eine Verarmung der Hauptstadt und des Südens wäre die Folge.

Streiten um Befugnisse und Geld

Gezankt wird sich also nicht mehr um institutionelle Befugnisse, sondern um Geld. In einem langen Gespräch zwischen vier Augen soll De Wever Di Rupo dann klargemacht haben, dass es Zeit für Schlussfolgerungen geworden ist. Bis morgen wollten die flämischen Gesprächspartner ihm noch Zeit geben. Doch der König zog ihnen am Mittwoch den Boden unter den Füßen weg, indem er sie zu Audienzen in den Palast lud.

In einem Kommuniqué teilte der Hof am Mittwoch mit, dass Di Rupo seinen Auftrag ab Samstag fortsetzen werde, weil er bedeutende Fortschritte „eingefahren“ habe. Gleichzeitig erteilte Albert II. seinem Präformator den Auftrag, spezifische Themen zu vertiefen: Autonomie und Zuständigkeitsbereiche der Regionen sowie die künftig eingeschränkte Eigenfinanzierung des Föderalstaates. Es war erwartet worden, dass der Staatschef Di Rupo diese letzte Frist geben würde, denn sollte der Mann mit der roten Fliege scheitern, droht dem Land die bisher immer wieder hinausgeschobene Staatskrise.

Nach der Audienz bei König Albert II. teilte Di Rupo auf einer Pressekonferenz am gestrigen Abend dann mit, dass er hoffentlich schon nach dem Wochenende seinen Endbericht vorlegen und bald mit einer Regierungsbildung beginnen könne. Dabei hält der frankophone sozialistische Parteipräsident an einigen Prinzipien fest: Durch die Staatsreform darf niemand ärmer werden, die Solidarität zwischen den Belgiern muss erhalten bleiben, das Machtzentrum des Landes sich in die Regionen verlagern und diese müssen mehr Zuständigkeitsbereiche und Autonomie sowie die dazu notwendigen finanziellen Mittel erhalten.