Flüchtlingskrise, politische Spannungen und China-Sorgen – wieder einmal drängen sich die aktuellen Probleme in den Vordergrund beim Davoser Weltwirtschaftsforum. Doch auch das eigentliche Hauptthema der Konferenz hat es in sich – mit der vierten industriellen Revolution stehen gigantische Umbrüche bevor. «Sie wird unsere Art, zu leben, zu arbeiten und miteinander umzugehen, grundlegend verändern», sagt Klaus Schwab, der Gründer des Weltwirtschaftsforums.
Einer der größten Stars beim diesjährigen Elitentreffen in den Schweizer Bergen ist der Roboter. Bei zahlreichen Veranstaltungen steht er im Mittelpunkt und öffnet den Teilnehmern ganz plastisch die Augen für die neuen Möglichkeiten. Und die sind schon jetzt groß. Die künstliche Intelligenz hat große Fortschritte gemacht – etwa bei selbstfahrenden Autos.
Die vierte industrielle Revolution
Die vierte industrielle Revolution wird von extremer Automatisierung und Vernetzung angetrieben, und das werde zu gravierenden Verschiebungen führen, Arbeitsmärkte könnten erschüttert werden, sagt der Verwaltungsratschef der Schweizer Großbank UBS, Axel Weber. So seien gerade Arbeitsplätze mit geringen und mittleren Qualifikationsanforderungen in Gefahr.
Die UBS erwartet, dass die Ungleichheiten in der Welt noch größer werden. Gerade Schwellenländer dürften unter Druck geraten. Ein großes Angebot an billigen, gering qualifizierten Arbeitskräften werde kein Vorteil mehr sein. Dagegen dürften Industrienationen mit ihren gut ausgebildeten Fachleuten eher profitieren, so die UBS.
Die Entwicklung besorgt auch Papst Franziskus: «Vergessen Sie die Armen nicht!», schrieb er in einer Botschaft an das Weltwirtschaftsforum. «Der Mensch muss die technologische Entwicklung bestimmen, ohne sich von ihr beherrschen zu lassen.»
Bis 2020 weniger Arbeitsplätze
Eine Umfrage des Weltwirtschaftsforums unter Managern von 350 führenden internationalen Konzernen sieht auch für die Industrienationen Gefahren. Bis 2020 dürften sieben Millionen Arbeitsplätze hier verloren gehen und nur zwei Millionen neue entstehen. Deutschland werde in diesem Zeitraum stärker als andere von dem Wandel betroffen sein.
Und dann kommt noch die große Gefahr dazu, dass solche vernetzten Systeme extrem angreifbar für Kriminelle oder gar Terroristen werden. «Niemals zuvor gab es eine Zeit, die mit mehr Versprechungen, aber zugleich mit einem so großen drohenden Übel einherging», sagt Schwab.
Veränderungen als Chance
Doch wie sollen sich die Länder am besten auf die Revolution vorbereiten – etwa alles ausbremsen? Das wäre nicht die Antwort des Weltwirtschaftsforums. Denn dort sehen sie auch immer die großen Chancen von Veränderungen. Es wäre ja durchaus ein Fortschritt, wenn Maschinen künftig gefährliche Arbeiten übernehmen. Zudem eröffnet Software schon heute die Chance, neue Medikamente zu entwickeln.
Am meisten von der zunehmenden Digitalisierung profitieren werden laut UBS Volkswirtschaften mit einem flexiblen Arbeitsmarkt, einem umfangreichen guten Bildungsangebot, guter Infrastruktur und einem stabilen Rechtssystem. Deutschland liegt in einer Studie auf Rang 13 weltweit, an der Spitze stehen die Schweiz und Singapur. Vor allem der deutsche Arbeitsmarkt erscheint den Experten nicht flexibel genug.
Nachholbedarf
Nachholbedarf sieht auch der Deutschland-Chef des Unternehmensberatung Accenture, Frank Riemensperger. Bei der Digitalisierung der Produktion und dem Anreichern von Produkten mit neuer Technik sei die deutsche Industrie zwar schon ganz weit vorn. «Das wird aber nicht reichen. Deutschland hat große Defizite, wenn es darum geht, Produkte neu zu denken und die Kundenerlebnisse mit den Produkten ganz neu zu gestalten.»
Hinterher hinke die deutsche Wirtschaft auch beim Aufbau von digitalen Plattformen. Dabei geht es darum, Maschinen und Produkte über das Internet zu verbinden. Diese Plattformen können dann Daten sammeln, analysieren und daraus neue Dienstleistungen anbieten. «Solche Plattformen werden die neuen Kontrollplätze für die digitale Wertschöpfung», sagt Riemensperger.
Datenschutz
Ein Grund für die Schwäche der deutschen Wirtschaft sieht Riemensperger in der besonders ausgeprägten Sorge um den Datenschutz. «Dabei wird immer aus der Konsumentensicht argumentiert», sagt der Experte. «Doch der deutsche Konsens ist nicht der Maßstab für die ganze Welt. Als Nation, die davon lebt, ihre Produkte in alle Welt zu bringen, müssen wir ein Stück weit umdenken.» Es wird also wohl nicht helfen, den Kopf in den Sand zu stecken und abzuwarten. Das Signal von Davos ist vielmehr: Die Revolution aktiv angehen und mitgestalten.
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