Mit ungewöhnlich deutlichen Worten forderten die EU-Außenminister die Regierung in Ankara am Montag zur Mäßigung auf. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini schloss wie die Bundesregierung einen EU-Beitritt der Türkei bei Wiedereinführung der Todesstrafe aus. In der Türkei ging Präsident Recep Tayyip Erdogan auch gegen die Führungen der Provinzen vor, nachdem Tausende Angehörige von Armee, Justiz und Polizei bereits von Gegenmaßnahmen der Regierung betroffen waren. Die Verhaftungswelle gebe Anlass zur Sorge, sagte Kanzlerin Angela Merkel in einem Telefonat mit Erdogan nach Angaben der Bundesregierung.
Erdogan entlässt zahlreiche Gouverneure
Mogherini erinnerte die Türkei daran, dass die Abschaffung der Todesstrafe zu den Voraussetzungen zählt, um der EU beizutreten. «Kein Land kann Mitglied der EU werden, wenn es die Todesstrafe wieder einführt, lassen Sie mich da ganz klar sein», sagte sie in Brüssel. Ähnlich äußerte sich die Bundesregierung. Merkel habe diese Position auch gegenüber Erdogan deutlich gemacht, sagte eine Regierungssprecherin.
Die 28 EU-Außenminister betonten in einer gemeinsamen Erklärung, dass der Respekt gegenüber allen demokratischen Strukturen einschließlich der gewählten Regierung und der Nationalversammlung in der Türkei entscheidend sei. Das Amt des Präsidenten wird in der Erklärung nicht genannt. Weiter heißt es: «Die EU erinnert daran, dass die unmissverständliche Zurückweisung der Todesstrafe ein wesentlicher Bestandteil der gemeinsamen Rechtsbestandes der Union ist.» Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wies in Brüssel aber auch auf Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim hin, die auf eine «Verlangsamung der Debatte» über die Wiedereinführung der Todesstrafe hindeuteten.
Tausende Polizisten und Beamte verhaftet
Medienberichten zufolge wurden in der Türkei 30 Gouverneure und mehr als 50 ranghohe Verwaltungsbeamte ihrer Ämter enthoben. In der Türkei gibt es 81 von Gouverneuren geführte Provinzen. Zuvor war bekanntgeworden, dass fast 9.000 Polizisten vom Dienst suspendiert wurden. Auch wurden landesweit 1.500 Bedienstete der Finanzverwaltung suspendiert. Für die drei Millionen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes verhängte die Regierung eine Urlaubssperre. EU-Erweiterungskommisar Johannes Hahn sagte, die rasche Entlassung und Festnahme Tausender Richter und Staatsbediensteter deuteten darauf hin, dass es wohl eine Schwarze Liste gegeben habe. «Das ist genau das, was wir befürchtet haben», sagte er. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu wies Hahns Äußerung als inakzeptabel zurück.
Nach den Worten Yildirims wurden bis Montagmittag 7.543 Personen inhaftiert, darunter 6.038 Soldaten. Im Zusammenhang mit dem Putschversuch seien 208 Menschen getötet worden, sagte der Ministerpräsident. Darunter seien 60 Polizisten, drei Soldaten und 145 Zivilisten. 1.491 Personen seien verletzt worden.
US-Außenminister John Kerry forderte die türkische Regierung auf, bei der Wiederherstellung von Recht und Ordnung nicht zu weit zu gehen. «Wir rufen die Regierung nachdrücklich dazu auf, ruhig zu bleiben, an der Rechtsstaatlichkeit festzuhalten und die demokratischen Institutionen zu respektieren», sagte Kerry. Zudem werde die NATO die Entwicklung der Demokratie in dem Mitgliedsland der Allianz beobachten. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, es sei unerlässlich, dass die Türkei die Demokratie und deren Institutionen ebenso sicherstelle wie die verfassungsgemäße Ordnung, die Herrschaft des Rechts und die Grundfreiheiten. Die pro-kurdische türkische Oppositionspartei HDP erklärte, sie werde keine Vorschläge im Parlament für die Wiedereinführung der Todesstrafe unterstützen.
EU, NATO und USA fordern Einhaltung der Demokratie
Nach Darstellung Yildirims liegen der Regierung detaillierte Pläne der Putschisten für eine Machtübernahme vor. Aus ihnen werde auch eindeutig klar, wer für den versuchten Staatsstreich verantwortlich sei. Zugleich forderte er die USA auf, den von Erdogan als Erzfeind betrachteten Geistlichen Fetullah Gülen auszuliefern. Man wäre sehr enttäuscht, wenn die USA angesichts des Putschversuchs noch auf weitere Beweise beharrten. Dies könnte sogar die Freundschaft zwischen beiden Staaten auf die Probe stellen. Gülen bestreitet jegliche Verwicklung in den Putschversuch und alle Ambitionen auf eine Machtergreifung in der Türkei.
In Deutschland warf die Kurdische Gemeinde (KGD) der türkischen Regierung vor, sie nutze den «durch nichts zu rechtfertigenden Militärputsch» als willkommene Gelegenheit, «die Türkei in eine Präsidialdiktatur mit den Zügen eines Führerstaates umzuwandeln». Der KGD-Vorsitzende Ali Ertan Toprak verwies auf eine Äußerung Erdogans, wonach der Putsch ein Geschenk Allahs sei und nun alle Oppositionellen den Zorn des Volkes zu spüren bekämen. Toprak äußerte den Verdacht, «dass eine fast schon stalinistisch anmutende Säuberungsaktion, die einer paranoiden Hexenjagd gleicht, alleinig dazu dient, die Macht des Staatspräsidenten zu stärken».
Zu Demaart






































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