Bestechung, Zinsmanipulation, Steuerhinterziehung, Geldwäsche – für manche Banker scheint es keine Schmerzgrenze zu geben. Fast täglich sorgt die Finanzbranche für Negativschlagzeilen, jüngstes Beispiel: Die britische Großbank HSBC soll über Jahre Geldwäsche unterstützt und so Drogenhändlern und Terroristen in die Hände gespielt haben. Dabei hatten Banker rund um den Globus doch reumütig Besserung gelobt, nachdem sie die Welt 2007/08 an den Rand des Abgrunds gezockt hatten. Politik und Regulierer setzt die Skandalserie unter Zugzwang: Hilft eine schärfere Aufsicht?
In der Londoner City herrscht helle Aufregung. Noch vor einem halben Jahr stellte sich Premierminister David Cameron schützend vor seine Banker und stemmte sich mit aller Macht gegen mehr Regulierung. Die Vorschläge einer Expertenkommission, wie die Bankenbranche besser im Zaum zu halten wäre, nahm die konservative Regierung zwar an, schob aber ihre Umsetzung weitgehend auf die lange Bank. Die Haltung des Premiers ist verständlich: Schließlich bestreiten die Finanzhäuser zehn Prozent des britischen Bruttoinlandsproduktes – und das schrumpft derzeit ohnehin.
Saubermänner mit befleckter Weste
Seit gut zwei Wochen jedoch wird auch den größten Freunden der City deutlich vor Augen geführt, was ein schrankenloses Finanzwesen anzurichten in der Lage ist. Ausgerechnet die bisher als Saubermänner dastehenden Großbanken Barclays und HSBC sorgen für Aufregung.
Die Salven kommen nicht aus Europa – sie kommen ausgerechnet aus den USA, wo das Ansehen der Geldhäuser bereits auf einem Tiefpunkt angelangt ist. Und es geht nicht um einen Sog, in den man unverschuldet hineingeraten ist. Es geht um Zinsmanipulation, Betrug, Geldwäsche und sogar die Begünstigung von Terrorismus. «Es ist absolut das falsche Signal zur falschen Zeit», sagte Justin Urquhart-Stewart von der Investmentfirma Seven Investment der BBC. Der «Guardian» titelte am Mittwoch: «HSBC stellt sogar Barclays fast noch in den Schatten.»
Der umgehende Rücktritt von HSBC-Chefaufseher David Ragley ist für viele ein Zeichen, dass es an den Vorwürfen der US-Senatoren nichts zu beschönigen gibt. Bei Barclays musste Vorstandschef Bob Diamond von Zentralbank-Gouverneur Mervyn King regelrecht aus dem Amt gedrängt werden. Jetzt steht King selbst in der Kritik und damit eine Institution: Die ehrwürdige Bank of England (BoE) soll die Barclays-Geschäfte de facto billigend in Kauf genommen haben. Die Notenbank weist jede Mitschuld von sich.
Image der BRanche angekratzt
Die Negativserie – zu der auch die «Bermuda-Produkte» der Credit Suisse gehören, mit der tausende Kunden Steuern hinterzogen haben sollen oder die Zockerei der US-Großbank JPMorgan Chase, die zwei Milliarden Dollar in den Sand setzte – kratzt am Image einer Branche, die gerade dabei war, sich ihr Ansehen mühsam wieder zu erarbeiten. «Die Bereitschaft der Bürger, Verständnis für Banken zu zeigen, ebbt ab. Und die Regulierung wird geradezu gezwungen, immer noch etwas draufzusatteln», kommentiert Dirk Müller-Tronnier, Leiter Bankenprüfung bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young.
Die Pläne für eine europäische Bankenaufsicht, aller Voraussicht nach unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB), hält Müller- Tronnier für kein Allheilmittel. «Eine europäische Bankenaufsicht bei der EZB zu installieren, halte ich für Aktionismus und sie würde beispielsweise die englischen Banken nicht umfassen. Das wird nicht dazu führen, dass sich alles zum Besseren wendet.» Außerdem gebe es bereits eine europäische Bankenaufsicht: die EBA.
Schon die Einrichtung der European Banking Authority (EBA) zum Jahresstart 2011 machte die Probleme einer grenzüberschreitenden Bankenaufsicht deutlich. Die Londoner Behörde hat kaum Durchgriffs- und Weisungsrechte gegenüber nationalen Banken. Maßgeblich sind nach wie vor die nationalen Aufseher, in Deutschland Bafin und Bundesbank. Dass die EBA bei Krisentests Vorgaben bisweilen willkürlich änderte, hat das Ansehen der jungen Behörde zusätzlich ramponiert.
Fachmann Müller-Tronnier gibt darüber hinaus zu bedenken: Auch eine gestärkte Bankenaufsicht könnte nicht alle Auswüchse verhindern. «Regeln gegen Geldwäsche gibt es seit Jahrzehnten. Zahlungsströme sind jedoch so komplex, dass es schwer ist, da zumindest kurzfristig alles aufzudecken», erklärt Müller-Tronnier.
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