Donnerstag11. Dezember 2025

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Afrikanische Traumfabrik mit Illusionen

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Nigerias Filmbranche vergleicht sich gern mit Hollywood und Bollywood. Dabei produziert sie nur massenhaft Billigstreifen. Sie zeugen von Afrikas traurigen Realitäten: Von Qualitätsproblemen bis hin zur Unterdrückung der Frau.

«Unsere Filmindustrie steht vor einer großen Zukunft», schwärmt der Chef der nigerianischen Filmbehörde, Emeka Mba. «Nollywood ist dabei, die Welt zu erobern», jubiliert der «National Mirror». Tatsächlich produziert das sogenannte Nollywood inzwischen mehr Filme als die Dreh-Metropolen in den USA und Indien.

Nigerianische Streifen sind zumindest in ganz Afrika sowie unter den Afrikanern in der amerikanischen oder europäischen Diaspora präsent: Überall laufen die meist melodramatischen Filme über Liebe, Macht und Verrat aus der Filmmetropole Lagos. Fernsehsender wie Africa Magic verbreiten rund um die Uhr nigerianische Produktionen, die ein wenig brasilianischen Telenovelas ähneln. Aber Afrikas Traumfabrik steckt voller Illusionen – denn für einen internationalen Erfolg der billigen Massenware aus Nigeria bräuchte es wohl große Finanzspritzen und fast eine kulturelle Revolution.

Millionen für die Filmindustrie

Nigerias Präsident Goodluck Jonathan hatte 2010 versprochen, mit 200 Millionen Dollar die Unterhaltungsbranche – und vor allem die Filmindustrie – zu fördern. Das könnte Nollywood in der Tat einen kräftigen Anstoß geben, der bitter nötig wäre. Noch aber klagen Filmemacher, dass Jonathans Versprechungen keine Taten gefolgt seien.

Nur in der Selbsteinschätzung der nigerianischen Filmbranche trägt der stolz gezogene Vergleich mit Hollywood und Bollywood. Dass es hier um sehr verschiedene Welten geht, machen aber schon die Zahlen deutlich. Zwar spuckt die Filmfabrik Nollywood jährlich zwischen 1000 und 2000 Filme aus. Aber die Produktion eines einzigen «Harry Potter»- oder eines «Spiderman»-Films kostet mit jeweils etwa 250 Millionen Dollar in etwa so viel, wie die gesamte nigerianische Filmbranche im Jahr umsetzt.

Viele Filme sind preisgekrönt

Nun schwärmen viele von der «vielversprechenden Graswurzelbewegung des Films in Afrika», wie der italienische Filmemacher Franco Sacchi es nennt. Auch heimsen nigerianische Filme, die sich oft mit dem Aufeinanderprallen afrikanischer Traditionen und der post-kolonialen Moderne beschäftigen, auf rein afrikanischen Filmfestivals Preise ein. Aber international hat Nollywood bisher kaum punkten können.

Das liegt vor allem an der Qualität der Streifen, die in erster Linie im Straßenverkauf und durch Video-Clubs Verbreitung finden, um dann auf Fernsehern in Privathäusern oder Kneipen angesehen werden. In ganz Nigeria gibt es vielleicht noch zwei Dutzend Kinos, in manchen afrikanischen Ländern noch viel weniger.

In ein paar Tagen abgedreht

Nollywood-Filme werden überwiegend mit einfachen Digitalkameras in wenigen Wochen, zuweilen Tagen, gedreht. Filmstudios sind in Nigeria unbekannt. Der Etat für die Film-Crew, Schauspieler, Kostüme und Kulissen, Transport und Technik beträgt meist zwischen 10 000 und 30 000 US-Dollar. Kein Wunder, dass die Filme für den europäischen Zuschauer oft etwas trashig und unfreiwillig komisch wirken. Nigerianischen Filmemachern sei oft nur wichtig, «dass irgendein Film rauskommt», egal wie die Qualität sei, klagt der nigerianische Medienexperte Prof. Emeka Okoli.

Für die afrikanischen Zuschauer sind die Themen aus Nollywood attraktiv, weil realitätsnah: Eine Bordellbesitzerin versucht, gutgläubige Mädchen vom Land mit dem Versprechen auf einen Job als Kellnerin in die Prostitution zu locken. Ein Hexenfluch vergiftet die Beziehungen zwischen den Familien von Eheleuten. Ein Betrüger treibt mit finsteren Methoden einen Ladenbesitzer in den Ruin und erobert mit einem Zaubertrank dessen Frau.

Action ist Mangelware

In den meist schlichten, statischen Szenen spielen Aberglaube und Hexenzauber, Rituale und Verschwörungen, Korruption und Affären eine große Rolle. Action ist wegen des notwendigen Aufwands eher Mangelware, auch wenn Gewalt, oft in der Familie, immer wieder präsent ist. Allen Filmen ist gemein, dass selbst die bekannteren Schauspieler, die pro Film auch mal 10 000 Dollar bekommen, mit ihrem übertriebenen Spiel und ihrer theatralischen Mimik zuweilen wie Laien wirken. «Afrika befindet sich in einer historischen Zeitenwende, viele Menschen müssen ihre Rolle in der Gesellschaft neu finden, davon zeugen auch unser Filme», sagt Filmbehördenchef Mba.

Viel Kunstblut und miserable Computeranimationen erhöhen die Filmqualität kaum. In vielen Filmen spielen Frauen die Rolle des Opfers, das nicht selten dem gewalttätigen Liebhaber oder brutalen Ehemann unterwürfig die Hand zur Versöhnung reicht. «Das spiegelt leider noch immer eine traurige Realität wieder», sagt Mba.

Qualität steigt

«Es gibt auch vielversprechende Streifen aus Nigeria, … irgendwann schlägt die Quantität auch in Qualität um», meint der Direktor des international renommierten Durban Film Festivals, Peter Rorvik. Die Geschichte des nigerianischen Films setze trotz mancher Mängel «ein fantastisches Beispiel für Afrika». Rorvik ist überzeugt, dass Nollywood die Chance auf den internationalen Durchbruch habe.

Doch Video-Piraterie hat die Lage des nigerianischen Films – der vielen tausend Menschen Arbeit gibt – weiter verschlechtert. Über die afrikanischen Vertriebswege werden in den ersten Wochen nach Erscheinen eines Films im besten Fall einige zehntausend DVDs verkauft – für ein bis zwei Dollar das Stück. Dann verbreitet sich der Film meist als Raubkopie. «Wir verlieren täglich Millionen Dollar wegen der Piraterie, … es ist unser Alptraum», sagte die Schauspielerin Ngozi Ezenu im «National Mirror».