Mittwoch17. Dezember 2025

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Auf beiden Seiten mehr Toleranz

Auf beiden Seiten mehr Toleranz
(Tageblatt/Jessica Oé)

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Tageblatt.lu traf sich auf der Tattoo-Convention "The Storm" in den Hallen der Luxexpo mit Daniel Krause, Schauspieler einer deutschen Daily-Soap und Besitzer eines Tattoo-Studios in Berlin. Er moderiert die Convention und nahm sich kurz Zeit für unsere Fragen.

Tageblatt.lu: Wie gefällt Ihnen die «The Storm»-Tattoo-Convention in Luxemburg?

Daniel Krause: Luxemburg ist für mich eine der aufstrebenden Conventions in ganz Europa. Der Alain, der das hier zum fünften Mal macht, ist noch so ein Kämpfer für die gute Sache. Ich bin im Jahr etwa auf 30 Tattoo-Conventions, auf 20 mach ich die Moderation, organisiere die Jurys und mach verschiedene andere Sachen, und man muss wirklich sagen, dass der Alain, im Unterschied zu manch anderen, sich echt noch Mühe gibt. Hier wird ganz hart darauf geachtet, dass die Tätowierer eine bestimmte Qualität anbieten. Es wird drauf geachtet, dass die Hygiene in der Halle sehr, sehr hoch ist. Und auch vom Grundfeeling her mixt das sehr gut mit den anderen Kunstsachen, die hier gezeigt werden, wie Skulpturen und Mode. Mit anderen Worten: Man spürt, dass sich hier noch Mühe gegeben wird. Und die Tätowierer mögen das, erkennen das an und kommen dann hierher.

«The Storm» hat ja dieses Wochenende auch einen der stärksten Konkurrenten, die man überhaupt hier in Europa haben kann: Das ist die Convention in Dortmund, die in den letzten 20 Jahren zu einer der größten der Welt herangewachsen ist. Und ich hab viele Tätowierer hier getroffen, die gesagt haben, wir sind lieber hierher nach Luxemburg gekommen als nach Dortmund, obwohl Letztere eine Mega-Institution ist. Und das ist schon ein sehr großes Kompliment für Luxemburg.

Wie wichtig sind die Conventions für die Tattoo-Szene?

Ich glaube, dass die Conventions vor zehn Jahren sehr wichtig waren, weil da natürlich wirklich ein großer Kunstvergleich stattgefunden hat, weil man sich austauschen konnte auf vielen verschiedenen Ebenen, was sind Trendfragen und und und … Es war eine internationale Begegnungsstätte. Dann fuhr sich das ein bisschen runter, weil in den letzten Jahren ein Wechsel stattgefunden hat, bei dem das Tätowieren mehr in die Mainstream-Richtung gegangen ist. Es wird zu 80%, schätz ich mal, von sogenannten «normalen» Menschen konsumiert. Das sind Leute zwischen 18 und 30, die sehen das bei Rihanna oder Miley Cyrus und äffen das ein bisschen nach. Dadurch kam es bei uns zu einer Entwicklung, dass Tätowieren nun ein richtiger Job ist. Wir sind nun nicht mehr nur Künstler, die eine Kunst auf die Haut bringen, sondern Dienstleister, die Kundenwünsche erfüllen müssen. Ich glaube, das konnte man auch irgendwann auf den Tattoo-Conventions spüren, deswegen haben die sich für die Künstler nicht gut angefühlt. Sie wollten dann nicht das Motiv oder jenes machen, sondern die eigene Kunst machen – aber der Kunde wollte das nicht mehr.

Jetzt ist es so, dass auf einer Convention wieder Kunst gemacht wird, die Kunst, die in den Läden gar nicht mehr so stattfindet, denn da ist das tägliche Geschäft, da ist der Mainstream, da ist die Dienstleistung, um meinen Lebensunterhalt verdienen zu können, und auf einer Messe trifft man dann wieder die Kunstkollegen und die Tattooliebhaber, die dann auch mal ein großes Projekt machen wollen, die sich auch den Jurys zur Bewertung stellen. Viele, die herkommen, wollen sich auch nicht tätowieren lassen, sondern auch einfach mal ein bisschen kucken und die Atmosphäre einfangen.

Wie finden Sie diese Entwicklung Richtung Mainstream?

Das ist zum einen natürlich bedenklich, aber es ist auch ein großes Geschenk. Ich bin ja Vorstandsmitglied im Bundesvorstand Tattoo und wir befassen uns auch damit, dass die Leute fast nicht mehr darüber nachdenken – was schlimm ist, denn so ein Tattoo ist für immer. Mir fehlt das natürlich, dass die Leute das Spiel nicht zu Ende denken, dass sie sich zu schnell entscheiden, Dinge zu machen, die sie vielleicht später bereuen. Andererseits ist diese «Vermainstreamung» für uns Tätowierer auch gut, weil wir dadurch weiter mit den Sachen, die wir so lieben, Geld verdienen können. Wenn uns die Stammkunden irgendwann weggefallen wären, hätten wir vielleicht ohne diesen Mainstream wieder andere Jobs machen müssen, die uns nicht so viel Spaß bereiten.

Tätowierte sehen sich auch manchmal negativen Reaktionen wegen ihrer Tattoos ausgesetzt. Wie stehen Sie dazu?

Ich habe auch negative Erfahrungen sammeln müssen, ist klar. Ich verstehe aber diese Leute. Es fühlt sich nicht für jeden gut an, man muss verstehen, dass Tätowierte noch vor 30 bis 40 Jahren zu Randgruppen gehörten. Das waren Gangster, das waren Prostituierte, es war wirklich für eine Schicht von Menschen, die man eigentlich nicht in seiner Nähe haben will. In dem letzten Jahrzehnt aber hat ein Umschwung stattgefunden, in Richtung Kunst, in Richtung Mainstream. Die jungen Leute, die das heute konsumieren, wenn ich es so nennen kann, streben nach Individualität. Es ist eine neue Ausdrucksform, es steckt oft viel Emotionales drin. Es gibt ganz viele Themen, die über Tattoos verarbeitet werden. Es wird dadurch auch lebensnah, man verarbeitet die Dinge, die einem passiert sind. Vielleicht den Tod eines geliebten Menschen, weil man sich immer daran erinnern will, dann kann das für denjenigen nicht asozial sein. Und wenn der Tätowierer sorgsam mit so einer Situation umgeht, ist das auch kein Asozialer. Ich denke, alle Leute, die zu schnell schimpfen, sollten einfach mal einen Schritt weiterdenken und sich fragen: Was steckt da noch dahinter?

Andererseits sag ich zu den stark Tätowierten immer, sie dürfen sich nicht beschweren, dass Ablehnung kommt. Wir verlangen Respekt für die Tätowierten, müssen den aber auch an die Nicht-Tätowierten zurückgeben. Wenn jemand es nicht mag, aus welchen Gründen auch immer, dann haben wir das zu respektieren. Dann ist das ok, wenn jemand mir nicht die Hand geben will beim Guten-Tag-Sagen, wenn die total tätowiert ist, oder dass er mit mir keine Zeit verbringen will oder mich nicht für sich in seiner Firma arbeiten lassen will, weil ich für sein Empfinden da einfach nicht reinpasse. Auf beiden Seiten muss einfach viel mehr Toleranz kommen und über die Beweggründe des anderen viel mehr nachgedacht werden.

Sie spielen ja auch bei der Serie «Berlin – Tag & Nacht» mit. Wie stark ist denn die Wechselwirkung zwischen Ihrem Tattoo-Laden und der Serie?

Ich bin da eher durch Zufall reingerutscht. Ich mache seit über zehn Jahren TV, dann kamen die Leute der Serie auf mich zu und haben mich praktisch reingeholt. Ich war auch, glaub ich, gar nicht so lange geplant. Es sollte halt unbedingt das Thema Tattoo sein, weil das zu Berlin gehört wie kein zweites Thema. Das hat dann mit mir ganz gut funktioniert. Ich spiele übrigens als Einziger aus der Serie sich selbst. Der Tattoo-Laden in Berlin ist auch das Einzige, was die Fans an Szenenmotiv tatsächlich besuchen können. Am Anfang hat es Spaß gemacht, dann hab ich allerdings gemerkt, dass es auch belastend ist. Du hast dann viele Touristen, die machen Fotos und so, was dann ein bisschen die Arbeit stört.

Wir haben dann überlegt: Wie gehen wir damit um? Und haben nun ein System gefunden, das beides erlaubt: den Leuten was zurückgeben, denn wir müssen dankbar für die Werbung sein, und unserer Arbeit nachgehen. Die Sina und der Patrick, die da mitspielen, tätowieren nun auch wirklich bei mir im Laden, die lieben das, dass sie ihren Fans was zurückgeben können, aber sie können auch zeigen, dass sie noch was anderes können als Schauspielern. Es ist eine Art Selbstexperiment für uns alle geworden.

Lesen Sie in der Tageblatt-Ausgabe vom 23. Mai (Print und E-paper) ein weiteres Interview: Auch der US-Schauspieler Robert LaSardo beehrte «The Storm» mit seiner Anwesenheit.