Nach den jüngsten Rebellenerfolgen in den Metropolen Damaskus und Aleppo drehen die Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad den Spieß um. Mit massiven Truppenverstärkungen und dem Einsatz von Kampfhelikoptern, Artilleriegeschützen und Panzern gingen sie am Mittwoch in den beiden Städten gegen die Aufständischen der Freien Syrischen Armee (FSA) vor. «Wir halten uns noch in sechs Bezirken am Rand von Aleppo, und wir haben Verluste», sagte Abu Omar al-Halebi, ein Kommandeur der Freien Syrischen Armee, der Nachrichtenagentur dpa am Telefon.
Mindestens 2000 syrische Soldaten wurden Rebellenangaben zufolge nach Aleppo in Marsch gesetzt. 500 von ihnen seien dafür aus der nördlichen Unruheprovinz Idlib abgezogen worden, die das Regime in den vergangenen Monaten nur mit Mühe und lückenhaft niederzuhalten vermochte. In Damaskus beschossen Kampfhubschrauber am Mittwoch das südliche Viertel Al-Hadschar al-Aswad, wie Aktivisten berichteten.
Familie zerbricht
Das Gebiet ist eine der letzten Hochburgen der Rebellen in der Hauptstadt, nachdem sie in den vergangenen Tagen von den Regimetruppen aus etlichen anderen Stadtvierteln verdrängt worden waren. Mit Offensiven, die in den letzten anderthalb Wochen begannen, hatten die FSA-Rebellen erstmals Damaskus und Aleppo angegriffen und dabei mehrere Bezirke, vor allem an den Rändern dieser Städte, unter ihre Kontrolle gebracht.
Einige prominente Mitglieder der Assad-Familie glauben offensichtlich dennoch nicht mehr an ein Überleben des Regimes. Wie die Nachrichtenagentur dpa in Istanbul am Mittwoch aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, sollen Assads Onkel Mohammed Machluf und dessen Söhne versucht haben, Kontakte im Ausland zu knüpfen. Sie suchten Schutz, falls Assad untergehen sollte. Den Angaben zufolge soll dieser Zweig der Familie bereits in Paris und in Moskau angeklopft haben.
Diplomaten fliehen
Mohammed Machluf ist ein Bruder von Assads Mutter. Sein Sohn Rami Machluf war in den vergangenen zwölf Jahren im Windschatten des Präsidenten zu einem der reichsten Geschäftsleute Syriens aufgestiegen. Westliche Staaten haben wegen ihrer engen finanziellen Verflechtungen mit dem Regime Sanktionen gegen die Machlufs verhängt.
Auch ein syrisches Diplomaten-Ehepaar kündigte indes dem Regime in Damaskus die Gefolgschaft auf. Der Botschafter Syriens in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Abdullatif al-Dabbagh, und seine Frau Lamia Hariri, Botschafterin in Zypern, quittierten den Dienst, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira. Hariri ist zudem eine Nichte des syrischen Vizepräsidenten Faruk al-Scharaa. Beide Diplomaten hätten sich in das Golfemirat Katar abgesetzt und der syrischen Opposition angeschlossen, hieß es.
Grenzen dicht
Nach Übergriffen syrischer Rebellen auf türkische Lastwagen hat die Türkei ihre Grenze zu Syrien für den Personen- und Güterverkehr weitgehend geschlossen. Nur in Ausnahmefällen sei die Überquerung der Grenze für bestimmte Personengruppen möglich, sagte der türkische Zoll- und Handelsminister Hayati Yazici am Mittwoch vor Journalisten in Ankara. Als Grund nannte er Sicherheitsprobleme und heftiger werdende Kämpfe in Syrien. Für syrische Flüchtlinge seien die Grenzen nach wie vor offen, ebenso wie für Reisende aus Syrien und aus Drittländern, fügte er hinzu.
Vor dem Hintergrund der eskalierenden Kämpfe im nördlichen Nachbarland richtet Jordanien ein großes Flüchtlingslager für Syrer ein. Nach Angaben von Hilfsorganisationen in Amman soll in der Nähe der Grenzstadt Mafrak eine Zeltstadt für 130.000 Bewohner entstehen. Die ersten Unterkünfte für 10.000 Menschen sollen am kommenden Montag zur Verfügung stehen.
Steigende Flüchtlingszahlen
Derzeit bringen sich täglich 1000 Syrer nach Jordanien in Sicherheit. Es gibt nur ein kleineres Auffanglager, in dem es kürzlich wegen der beengten Verhältnisse zu einem Aufruhr kam. Die geplante Zeltstadt soll nun Abhilfe schaffen. Am Vortag hatte auch der Irak mit dem Bau eines Flüchtlingslagers an der syrischen Grenze begonnen.
Insgesamt hat das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Jordanien, im Libanon, in der Türkei und im Irak mehr als 120,000 Flüchtlinge aus Syrien registriert. Nach Angaben der Regierungen seien die Zahlen noch weitaus höher.
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