Was hätte John F. Kennedy noch erreichen können? Viele US-Amerikaner sind über diese Frage nie wirklich hinweg gekommen. Was hätte dieser junge, charismatische Anführer alles noch erreichen können – wäre er nicht 1963, gerade einmal 1000 Tage im Amt, in Dallas/Texas, erschossen worden?
Wäre das Land Kennedys Vision gerecht geworden? Der Vision von jemandem, der sich zu einem Zeitpunkt für Demokratie und Weltfrieden einsetzte, an dem die Welt sich mit der Möglichkeit abfand, dass ein Druck auf den roten Knopf jederzeit die gegenseitige nukleare Zerstörung bedeuten konnte? Bürgerrechte, Wissenschaft, Bildung, Sport, Kunst – hätten die Menschen genauso hoch hinaus gewollt wie er? Es sind diese Fragen, über welche die USA jetzt nachdenken, zu Kennedys 100. Geburtstag am 29. Mai.
Eine spezielle Kommission hat zu dem Datum eine Reihe von Veranstaltungen angesetzt, von einer Ausstellung historischer Fotos bis zu Gedenkkonzerten. Kennedys Präsidentenbibliothek in Boston zeigt eine Ausstellung persönlicher Gegenstände, und quer durchs Land findet eine Reihe von Footballspielen zu seinem Andenken statt. Seine Tochter Caroline und ihre Kinder erinnern in einem Video an das Vermächtnis des Vaters und des niemals persönlich gekannten Großvaters.
Optimismus steht im Vordergrund
Alle Veranstaltungen versuchen, den Geist von Optimismus und Hoffnung einzufangen, der mit Kennedys Aufstieg und seiner knapp dreijährigen Präsidentschaft zusammenfiel, wie es von den Organisatoren heißt. Die Fotoausstellung im Smithsonian American Art Museum in Washington – einem der bekanntesten Kunstmuseen der USA – zeigt 77 Bilder, die sein gesamtes Leben abbilden. Das Museum hebt hervor, dass seine Karriere mit dem goldenen Zeitalter der Fotografie zusammenfiel – und JFK wurde damals häufiger fotografiert als jeder andere Politiker.
Das früheste Bild der Ausstellung zeigt John Fitzgerald im Alter von zwei Jahren, im Jahr 1919, auf dem Trittbrett eines Ford Model T stehend. Sein älterer Bruder Joe steht neben ihm, der reiche und gut angezogene Vater der Jungen ein Stück entfernt.
Das letzte Foto hebt sich nicht nur vom mehrheitlich schwarz-weißen Rest der Bilder ab, weil es ein Farbfoto ist. Sein türkiser Himmel, das Pink des Kostüms von First Lady Jacqueline Kennedy und das Rot der Rosen, die sie hält, sind jedem vertraut, der weiß, was am 22. November 1963 in Dallas geschah. Das Bild zeigt die Ankunft des Paares am Flughafen, nur Stunden bevor die Schüsse des Attentäters den 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten im Alter von nur 46 Jahren niederstreckten.
Die Rede, die er nicht mehr halten konnte
Zur Ausstellung gehört ein Buch mit JFKs bekanntesten Reden. Eine davon kam nie über seine Lippen. Kennedy hatte geplant, seinen Auftritt in Dallas zu nutzen, um den Wert von Bildung und die «Verbindung zwischen Führen und Lernen» zu unterstreichen. «Unwissenheit und Desinformation» wollte Kennedy verdammen: Gewännen diese in der Außenpolitik die Oberhand, so hatte er vor zu warnen, bedrohe das die Sicherheit der USA. Werde Amerikas Führung nicht von Lernen und Vernunft geleitet, würden «jene, die Rhetorik mit Realität und das Plausible mit dem Möglichen verwechseln, mit ihren vermeintlich flinken und einfachen Lösungen für jedes Problem der Welt die öffentliche Meinung für sich gewinnen».
Es sind Worte, über die Washington nachdenkt, mehr als 50 Jahre nachdem Kennedy sie verfasste – und wenige Monate nach einer Präsidentenwahl, in der «Fake News» und einfache Lösungen eine Rolle spielten.
Sie erinnern Amerika auch daran, dass Kennedy sich als Student der Geschichte hohes Ansehen erwarb. Geschichte war eine Leidenschaft von ihm – möglicherweise seit seiner Europareise 1937, während seines zweiten Jahres an der Elite-Uni Harvard. Er besuchte Österreich und Deutschland und studierte fortan die Staatschefs der Welt – inklusive Hitler. Seine Abschlussarbeit schrieb er über die gescheiterte Eindämmung von Hitlers Politik vor dem Zweiten Weltkrieg.
Kennedys Vision heute noch relevant
«Wie viele unserer Präsidenten kennen sich in der Geschichte aus?», fragt Lawrence Schiller, einer der Kuratoren der Fotoausstellung. Zweck von Ausstellung und Buch sei es zu zeigen, «dass Kennedys Vision heute noch relevant ist, nicht nur für die USA, sondern für die Welt». Denn einige derselben Probleme, die Kennedy hatte, beschäftigten die USA im 21. Jahrhundert immer noch, sagt Schiller.
Kennedys 100. Geburtstag erinnert auch daran, dass die Amerikaner immer Details aus dem Leben eines Präsidenten mochten, die außerhalb seines politischen Lebens liegen: Vom Aufwachsen in seiner reichen irisch-katholischen Familie über seine Traumhochzeit mit «Jackie» bis zu den ihm stets nachgesagten Affären.
Als jüngster jemals gewählter Präsident (mit 43), einziger Katholik im Weißen Haus und einer der wenigen, die junge Kinder hatten, brachte JFK in jedem Fall Frische in die ehrwürdigen Mauern. Wie sehr er diese selbst ehrte, zeigt sich laut dem Historiker David McCullough in einer von ihm angebrachten Inschrift. Einer alten Inschrift aus dem späten 18. Jahrhundert folgend, ließ Kennedy in einen marmornen Kaminsims gravieren: «Möge niemand außer ehrlichen und weisen Männern unter diesem Dach regieren.»
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