Ein vorbestrafter Waffennarr und Sexualstraftäter hat am Dienstag in Lüttich drei Menschen und sich selbst getötet und 123 weitere Personen verletzt. Auf dem Weg zu einem Gerichtstermin eröffnete Nordine Amrani an einer Bushaltestelle auf der Place Saint-Lambert im Herzen der Innenstadt das Feuer auf eine Menschenansammlung und zündete Handgranaten.
Genau an dieser Bushaltestelle wollte nur wenige Sekunden zuvor die Luxemburger Studentin Lynn Elvinger aus Petingen aussteigen. «Unser Bus blieb plötzlich ohne Ansage stehen. Wir mussten alle aussteigen. Uns liefen Menschenmassen in Panik von der Place Saint-Lambert entgegen,» schildert Lynn Elvinger die dramatischen Minuten gegenüber Tageblatt.lu.
«Alles ging so schnell»
«Die Leute sagten uns, wir sollen weglaufen. In der Innenstadt läuft einer mit einer Waffe und Granaten rum. Die Polizei riegelte alles ab. Ich kam zunächst bei einer Freundin unter. Alles ging so schnell,» erzählt die Studentin. Sie selbst lebt nur wenige Meter von der Innenstadt entfernt
Das Blutbad versetzte Lüttich, was rund 130 Kilometer von Luxemburg liegt, in einen Schock. Stundenlang kursierten Gerüchte über die Flucht eines möglichen Komplizen, und die Innenstadt wurde über Stunden weiträumig abgeriegelt. Einen terroristischen Hintergrund schloss das Innenministerium aus.
Täter schoss um sich
Der Täter riss ein 15-jähriges Mädchen, einen 17-Jährigen und eine 75 Jahre alte Rentnerin mit in den Tod, sagte Staatsanwältin Danielle Reynders. Er habe am späten Vormittag mit dem Wagen seine Wohnung in Lüttich verlassen und einen Revolver, eine Kalaschnikow und Granaten in einem Rucksack dabeigehabt. An einer Bushaltestelle auf der Place Saint-Lambert – wenige Meter von einem gut besuchten Weihnachtsmarkt entfernt – eröffnete er dann gegen 12.30 Uhr das Feuer. Er schoss wahllos in die Menge. Anschließend tötete er sich mit einer Granate selbst.
Das Attentat löste Panik aus. Die Menschen rannten um ihr Leben, versuchten, sich und ihre Kinder vor den Kugeln und Granaten in Sicherheit zu bringen. «Es war grauenhaft», schilderte ein Augenzeuge die Augenblicke nach der Tat. Geschäfte und Cafés wurden verbarrikadiert. Auf Fernsehbildern waren Blutlachen zu sehen. Unter den Verletzten soll sich auch ein Kleinkind befinden, das noch mit dem Leben ringt.
«Die Zustände sind chaotisch»
Zur Versorgung der Verletzten wurden Rettungskräfte aus den Niederlanden angefordert. Die Schwerverletzten wurden in die Krankenhäuser gebracht, und im Hof des Justizpalastes unweit des Anschlagsortes wurde eine Notversorgungsstelle für die Leichtverletzten eingerichtet. «Die Zustände sind chaotisch», sagte der Vater eines verletzten Kindes.
Mehrere Medien hatten zunächst über eine Verfolgungsjagd mit einem mutmaßlichen Komplizen durch die Innenstadt berichtet. Demnach gab es eine Stunde nach dem Anschlag einen Schusswechsel mit Sicherheitskräften. Die Polizei dementierte dies aber später. Auch Meldungen, ein mutmaßlicher zweiter Täter habe sich in den Justizpalast geflüchtet, erwiesen sich als falsch.
Dutzende Waffen gehortet
Über das Motiv des 29-Jährigen gab es zunächst keine genauen Angaben. Er hatte einen Termin für eine Befragung durch die Justizbehörden, sagte Staatsanwältin Reynders. Der Mann war laut Staatsanwaltschaft wegen Sexualdelikten vorbestraft und hatte zuletzt 2008 eine Haftstrafe von 58 Monaten für illegalen Waffenbesitz und den Anbau von Cannabis erhalten. Laut der Zeitung «le soir» waren damals bei ihm 9.500 Waffenteile sowie Dutzende einsatzbereite Schusswaffen gefunden worden. Warum es ihm nach der Haft erneut gelang, sich zu bewaffnen, gehört zu großen Fragen, die am Dienstag zunächst unbeantwortet blieben.
Sein Attentat sorgte für Bestürzung in Belgien. Premierminister Elio Di Rupo, der erst in der vergangenen Woche sein Amt angetreten hatte, und König Albert II. wollten noch am Abend den Ort des Blutbades besuchen und Verletzte sprechen.
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