Headlines

6,5 Milliarden reichen nicht

6,5 Milliarden reichen nicht
(AFP/Paul J. Richards)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

VW kündigt an, alle vom Abgasskandal betroffenen Modelle nachzubessern. Die Rückstellungen von 6,5 Milliarden Euro sollen dies ermöglichen. Ob das Geld aber reicht ist fraglich.

Die obersten Aufseher von Volkswagen wollen am Mittwoch über erste Ergebnisse aus den konzerninternen Ermittlungen zum Abgas-Skandal beraten. Das fünfköpfige Präsidium des Kontrollgremiums kommt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Nachmittag zu einem erneuten Krisentreffen zusammen. Dabei soll über einen Zwischenbericht zu der Affäre gesprochen werden. Demnach fiel die Entscheidung zum Einbau der manipulierten Software bereits in den Jahren 2005 und 2006, und zwar in der Motorenentwicklung in der VW-Zentrale. Noch unklar ist, ob im Anschluss an die voraussichtlich in Wolfsburg stattfindende Sitzung mit einer Erklärung zu rechnen ist.

Die ersten Köpfe rollen

Im Zuge der Manipulationsaffäre hat Volkswagen einem Bericht zufolge rund ein Dutzend Mitarbeiter beurlaubt. Wie das «Manager Magazin» am Mittwoch online berichtete, werden die Betroffenen verdächtigt, an Entwicklung und Einsatz der zur Manipulation von Abgaswerten genutzten Software beteiligt gewesen zu sein – oder zumindest frühzeitig davon gewusst zu haben. Der Großteil der beurlaubten Mitarbeiter sei in der Motorenentwicklung und Abgasnachbehandlung tätig gewesen. Unter den beurlaubten Mitarbeitern sind dem Bericht zufolge «Entwickler und Manager auch höherer Hierarchieebenen in Deutschland und den USA». Der Rechercheverbund von «Süddeutscher Zeitung», NDR und WDR hatte am Dienstag berichtet, dass der ranghohe VW-Manager Heinz-Jakob Neußer in den Fokus des Skandals geraten sei. Interne Untersuchungen hätten ergeben, dass der inzwischen beurlaubte Manager 2011 den Hinweis eines Motorentechnikers auf möglicherweise illegale Praktiken abgetan habe. VW erklärte dem Bericht des Rechercheverbunds zufolge auf Anfrage, derzeit laufe ein «intensiver Aufklärungsprozess». Erst wenn sich ein «klares Bild» ergeben habe, könnten Details zum Handeln einzelner Personen genannt werden. Neben Entwicklungsvorstand Neußer sind dem Bericht zufolge zwei weitere Spitzenmanager beurlaubt. (AFP)

VW hatte bereits am vergangenen Freitag mitgeteilt, dass von der Konzern-Kernmarke VW fünf Millionen Fahrzeuge betroffen sind. VW stellte einen Aktionsplan zur Nachbesserung von Dieselwagen mit manipulierter Software vor. Die betroffenen VW-Kunden sollen demnächst per Post informiert werden, wenn ihre Diesel-Fahrzeuge nachgebessert werden müssen. VW sprach von «Servicemaßnahmen». Es handle sich aber nicht um eine «Sicherheits-Rückrufaktion», weil die Sicherheit der Fahrzeuge nicht tangiert sei, sagte ein VW-Sprecher in Wolfsburg.
VW-Markenchef Herbert Diess sagte bei einem Treffen mit der EU-Kommission am Dienstagbaend in Brüssel dazu: «Wir haben einige Lösungen erarbeitet, insbesondere stehen natürlich die Kunden im Fokus im Moment.» Die Kosten könne VW noch nicht abschätzen.

Technische Lösungen

Volkswagen und die weiteren betroffenen Marken des Konzerns wollen den zuständigen Behörden im Oktober die technischen Lösungen vorstellen. Die betroffenen Autos bestimmter Baujahre und Modelle – darunter der Golf sechs, der Passat der siebten Generation oder die erste Generation des Volkswagen Tiguan – sind mit Dieselmotoren des Typs EA 189 ausgestattet. Dass diese Modelle den Motor enthalten, hatte VW bereits am vergangenen Freitag bekanntgegeben.

Der frühere VW-Konzernchef Bernd Pischetsrieder und der frühere VW-Markenchef Wolfgang Bernhard hatten nach eigenen Angaben keine Kenntnis vom Einbau der Manipulationssoftware. Beide hätten auch keine Entscheidungen zur Entwicklung oder zum Einsatz der Software getroffen, teilten die Manager am Dienstagabend über die Rechtsanwaltskanzlei Schertz Bergmann mit.

Rückstellungen reichen nicht

Die bisherigen finanziellen Rückstellungen wegen des Abgas-Skandals dürften einem Bericht zufolge nicht für die Lösung aller Probleme ausreichen. Dies geht aus einer Antwort von Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch auf entsprechende Fragen bei einer Manager-Versammlung hervor, wie das Fachblatt «Automobilwoche» (Dienstag) schreibt.

Die veranschlagten 6,5 Milliarden Euro sind demnach vor allem für technologische Lösungen und Service-Leistungen vorgesehen. Möglicher Schadenersatz, Anwaltshonorare und andere Kosten kämen obendrauf. Ein VW-Sprecher verwies auf die Gewinnwarnung aus der vergangenen Woche fürs dritte Geschäftsquartal, wonach der angenommene Betrag für Serviceleistungen «Einschätzungsrisiken» unterliege und auch bereits klar nur den Serviceleistungen zugeordnet worden sei.

Volkswagen steckt in der wohl tiefsten Krise seiner Geschichte, nachdem vor knapp zwei Wochen bekannt geworden war, dass in den USA Abgaswerte von Diesel-Fahrzeugen mit einer Software manipuliert worden waren. Das Programm kann dafür sorgen, dass im Testbetrieb deutlich weniger gesundheitsschädliche Stickoxide gemessen werden als im regulären Betrieb. Es steckt weltweit in rund elf Millionen Fahrzeugen des Wolfsburger Konzerns. Martin Winterkorn trat als Konsequenz aus der Affäre als VW-Chef zurück.

Lesen Sie auch:

Nach Audi kommt Seat

VW will gratis nachbessern

Anspruch auf Schaden-Ersatz