Als Emma Martina Luigia Morano geboren wurde, lebte Giuseppe Verdi noch. Opel hatte gerade das erste Automobil gebaut und dem italienischen Radiopionier Guglielmo Marconi war es kurz zuvor gelungen, eine drahtlose Telegrafenverbindung über den Ärmelkanal herzustellen. Es war der 29. November 1899, 15 Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Seit Donnerstag ist die 116-Jährige wohl der älteste Mensch der Welt – und der einzige, der noch im 19. Jahrhundert geboren wurde.
Die kleine Emma hatte als erstes von später acht Geschwistern im piemontesischen Örtchen Civiasco das Licht der Welt erblickt. Die Eltern Giovanni und Matilde stammten ursprünglich aus der Schweiz. Noch als Jugendliche zog sie mit der Familie ins Ossolatal, arbeitete später in einer Fabrik, die Jutesäcke herstellte. Aber der Staub bei der Arbeit tat ihren Lungen nicht gut, also entschied sie, fortan am Lago Maggiore zu leben, im Ort Pallanza – und dort wohnt die zierliche alte Dame noch heute.
109.000 Eier
Als ein Arzt ihr einst wegen ihrer Blutarmut empfahl, jeden Tag drei rohe Eier zu essen, nahm sie sich diesen Ratschlag zu Herzen. Erst vor wenigen Jahren hat sie die Zahl auf zwei reduziert. Das macht insgesamt rund unglaubliche 109 000 Eier in den vergangenen 100 Jahren. Zusätzlich nimmt die Seniorin täglich etwas Hackfleisch und Gemüsebrühe zu sich, eine Banane, selbstgebrannten Grappa zum Verdauen und, wenn es ihr der Hausarzt erlaubt, als Höhepunkt des Tages ein Gianduiotto – eine typische italienische Nusspraline.
«Es geht mir gut», erklärte sie, als ihr mitgeteilt wurde, dass sie nun der älteste Mensch auf dem Planeten ist. Das Meer hat Signora Morano nur ein Mal gesehen, damals in Genua. In Rom war sie nie. Denn als sie jung war, herrschten andere Zeiten, Reisen waren teuer, schwierig und langwierig. Zudem folgten gleich mehrere Schicksalsschläge: Ihr erster Mann fiel im ersten Weltkrieg, ihr zweiter war gewalttätig, er schlug Morano. 1937 wurde sie Mutter, jedoch starb der kleine Angelo nach wenigen Monaten. Da nahm Morano all ihren Mut zusammen und verließ im Jahr 1938 ihren Mann – wohl als eine der ersten Frauen in Italien überhaupt. Scheidungen waren vom Gesetz nicht vorgesehen, und selbst Trennungen waren eine Rarität.
Lebensgewohnheiten oder genetisch bedingt?
Danach hat sich Morano nie wieder binden wollen, obwohl es an Anwärtern nicht gefehlt habe. «Ich wollte von niemandem mehr herumkommandiert werden», sagte sie einmal der «New York Times». Auch Kinder bekam sie keine mehr.
Ob es letztlich die Eier, der Grappa oder etwas ganz anderes ist, das Emma Morano ein so langes Leben beschert hat, das ist wissenschaftlich nicht zu belegen. Experten glauben, dass das Geheimnis weniger durch Essgewohnheiten als vielmehr genetisch zu erklären ist. Das könnte im Fall Morano stimmen: Ihre Mutter, eine Tante und mehrere Schwestern wurden über 90 Jahre alt, eine Schwester starb mit 103 Jahren.
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