Er war angetreten, um unberechenbar zu sein. Er wollte mit allen Konventionen amerikanischer Innen- und Außenpolitik brechen. Er prahlte damit, seine Businessman-Erfahrung in die Wirtschaftspolitik einfließen zu lassen. Er wollte keine neuen Kriege anzetteln und lediglich „the shit out of IS“ bomben. Und nicht zuletzt: Er versprach all den sozial und wirtschaftlich Abgehängten, sie zu retten und Amerika „great again“ zu machen.
100 Tage später könnte das Fazit nicht rekordverdächtiger sein: Es ist wohl kaum einem Präsidenten innerhalb so kurzer Zeit gelungen, quasi die Gesamtheit seiner Wahlversprechen über Bord zu werfen. Außerdem hat Trump die Latte für die nächsten Präsidenten extrem hoch gelegt. Es wird so schnell keinen Präsidenten mehr geben, der derart inkompetent, ignorant, korrupt und chaotisch ans Werk geht. Trump ist und war ein Blender. Wer ihm all seine sozialen Heilsversprechen während des Wahlkampfes abgekauft hat, sollte spätestens jetzt die rosarote Brille abnehmen. Im Universum des US-Präsidenten dreht sich alles nur um eins: Donald J. Trump. Solidarität ist ihm ein Fremdwort.
Worin sich jedoch vor allem europäische Beobachter zu irren scheinen, ist der Glaube, Trump sei auf inhaltlicher Ebene von vorherigen Präsidenten stark abgewichen. Eigentlich ist er das nicht. Zumindest mit Blick auf die Republikaner. Es gibt Steuererleichterungen für die Reichsten, der ohnehin blutarme US-Sozialstaat wird weiter abgebaut und die militärische Aufrüstungsindustrie fleißig befeuert. Und als wären die Kriege in Syrien, Irak, Libyen, Jemen und in Afghanistan nicht genug, so muss auch dieser Präsident sich einen neuen Staat vorknöpfen. Ob Trump die direkte Konfrontation mit Nordkorea riskiert, gilt abzuwarten. Denn bislang spinnt auch er nur die Politik von Obama weiter, da er sich sehr stark auf die von China aufgebaute Drohkulisse gegenüber Pjöngjang verlässt und somit die diplomatische Karte spielt.
Das Ganze hat jedoch einen Haken: Trump ist eine Marionette seiner Militärführungskräfte. Demnach entscheidet sich die Frage über Frieden oder Krieg nicht in seinem wirren Köpfchen oder bei einem seiner bislang 17 (!) Ausflüge auf den Golfplatz, sondern im Kampf zwischen dem Deep State namens State Department und Pentagon. Da Trump ohne jegliches Vorwissen, ohne Allgemeinbildung und ohne erkennbares Interesse durch die Weltgeschichte bummelt, passt er sich konstant an, statt die im Wahlkampf von ihm versprochenen unpopulären Wege zu gehen. Weil er es nicht besser weiß. Er ist die Geisel seines neuen Lebens.
„Ich dachte, es wäre leichter“, gab Trump jüngst in einem Interview zu. Er habe sein früheres Leben geliebt. Nun müsse er mehr arbeiten. Solche Aussagen sind schallende Ohrfeigen für all jene Menschen, die tatsächlich daran geglaubt haben, dass Trump sie aus dem Teufelskreis der Niedriglöhne und Arbeitslosigkeit, ja aus dem sozialen Niemandsland retten kann. Sie verstehen nach und nach, dass dieser Mann nicht einmal in der Lage ist, die menschliche Last seines eigenen Amtes zu ertragen. Er, der stets allen Lektionen erteilte und Menschen vor laufenden Kameras erniedrigte. Er, der „tough guy“, ist ein sich im Selbstmitleid suhlendes Würmchen. In seiner Reality-Show „The Apprentice“ wäre ihm nach 100 Tagen sein ritueller Satz wohl nicht erspart geblieben: „You’re fired!“
dsabharwal@tageblatt.lu
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