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Sieben Siegel

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Die Fondsindustrie ist oft kaum zu verstehen

Der luxemburgische Sektor für Investmentfonds ist gigantisch. Mittlerweile verwalten Fonds, die im Großherzogtum angemeldet sind, fast 3.400 Milliarden Euro. Damit ist Luxemburg der größte Fondsstandort Europas und – nach den Vereinigten Staaten von Amerika – der zweitgrößte auf der Welt. Zudem spült der hiesige Fondssektor mit seinen Steuerzahlungen Millionen in die Kassen des Staates und ist unbestritten ein großer Arbeitgeber in Luxemburg. Zu letzterem Sachverhalt gibt es jedoch keine wirklich aktuellen Zahlen.

ygreis@tageblatt.lu

Leider ist der Fondssektor für die allermeisten Menschen ein Buch mit sieben Siegeln – eine Welt, die ihre eigene Sprache hat, die aus Mathematik und Wahrscheinlichkeitsrechnungen besteht, aus Alpha, Beta, Risiko, UCITs und KIIDs. Hunderte Abkürzungen und Akronyme, die kaum ein Nicht-Eingeweihter zu verstehen vermag … und selbst einigen Eingeweihten Rätsel aufgeben. Sie entstehen in einem Wechselspiel von Gesetzgeber und Finanzbranche, von Regulierung und Marktgegebenheiten.

Dadurch tun sich allerdings einige große Probleme auf. Zum Beispiel entzieht sich der Fondssektor so – ob gewollt oder nicht – der Kontrolle der breiten Öffentlichkeit. Die Bürger können nicht nachvollziehen, was hier geschieht, und dementsprechend diese Informationen auch nicht in ihre politischen Entscheidungen mit einfließen lassen. Anders ausgedrückt: Bei den Wahlen kann ein Wähler nicht entscheiden, ob die Beschlüsse, die ein Politiker hinsichtlich des Fondsstandorts getroffen hat, gut oder schlecht waren. Auch können die Bürger schlecht einschätzen, ob Kritik, die oft aus dem Ausland geäußert wird (Stichwort: Steuerparadies), gerechtfertigt ist oder nicht.

Daneben wird die Branche seit der Finanzkrise mit immer mehr Regeln, vor allem europäischen Richtlinien, konfrontiert. Der nationale Gesetzgeber – sprich das Parlament – muss diese dann in luxemburgische Gesetze umwandeln. Das stellt die Parlamentarier vor eine große Herausforderung. Sie sind – und das ist auch gut so – nicht alle Investmentfonds-Experten, sondern kommen aus ganz verschiedenen Bereichen. Um über ein Gesetz, das Fonds betrifft, befinden zu können, müssen sie sich auf das Urteil ihrer Mitarbeiter verlassen.

Aber auch Sparer stellt es vor eine Herausforderung. Sie werden von allen Seiten mit der Aussage konfrontiert, dass die staatliche Rente für sie in Zukunft nicht mehr ausreichen wird. Fonds seien eine gute Methode, um sich auf die Rente vorzubereiten, heißt es. Die Sparer müssen sich hier oft blind auf die Expertise eines Bankberaters verlassen können. Und dieser will natürlich Produkte verkaufen. Es besteht also unter Umständen ein Konflikt zwischen dem, was der Bankberater will, und dem, was der Kunde will. Potenziell ist hierbei der Kunde in einer schwächeren Position.

Dies ist europäischen Politikern durchaus klar, weshalb sie versuchen, das Verhältnis zwischen Kunde und Finanzdienstleister zu regulieren (z.B. über die Mifid-II-Direktive). Hier allerdings tritt wieder die Finanzwirtschaft auf den Plan, die mit starken Lobbyisten ihre Vorstellungen einzubringen versucht.