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Schlangengrube CSV

Schlangengrube CSV
(Tageblatt/Alain Rischard)

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Weshalb die Suche nach dem Spitzenkandidaten ein Flop ist

Die vergangene Woche ließ Luxemburg in den Geschmack eines völlig unverhältnismäßigen, amerikanischen Politikstils kommen: Satte zwei Jahre vor den nächsten Parlamentswahlen diskutiert die CSV bereits über ihren Spitzenkandidaten.

Das Agenda-Setting könnte nicht offensichtlicher sein: die verfrühte Suche nach der neuen Nummer eins verlagert den Fokus von politischen Inhalten auf die leicht verdaulichere „politique politicienne“. Ganz nebenbei werden Spannungen bei den Regierungsparteien geschürt und die volle Aufmerksamkeit auf die Christlich-Konservativen gelenkt. Was in der Theorie und kurzfristig betrachtet effizient erscheinen mag, dürfte sich aber ziemlich schnell – und spätestens im Herbst – als Schuss in den Ofen herausstellen.

Konkurrenz belebt zwar bekanntlich das Geschäft, allerdings ist die CSV dabei, ihre künftige Spitze zu schwächen. Claude Wiseler gilt zweifellos als Favorit des Partei-Establishments. Dies zeigte sich nicht zuletzt bei den Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der Europäischen Volkspartei (EVP) in Luxemburg. Dort sprach sich EVP-Generalsekretär Antonio López-Istúriz White vor Europas konservativer Elite offen für Wiseler aus. Viel wurde darüber spekuliert, ob dies aus Unwissen geschah oder aus wahltaktischen Gründen von ganz oben – Stichwort: Jean-Claude Juncker – verordnet wurde. Folgendes steht fest: der konservative Ritterschlag der europäischen Mutterpartei sorgt für böses Blut bei Wiselers Mitstreitern und bei so manchem CSV-Politiker in der Basis.

Whites „Ausrutscher“ muss für Viviane Reding am bittersten gewesen sein. Die erfahrene Europapolitikerin dürfte sich als Europa-Abgeordnete und ehemalige Vizepräsidentin der EU-Kommission ziemlich veralbert vorkommen. Dies, weil Whites Aussage nicht nur unnötig, sondern mindestens genauso verfrüht wie die CSV-Diskussion über den Spitzenkandidaten ist. Folgt man der These, dass sich weder Reding noch Luc Frieden, der ebenfalls zu den ernst zu nehmenden Kandidaten zählt, am Ende durchsetzen sollte, bleiben viele Fragezeichen.

Abgesehen davon, dass die CSV bis zur Ernennung ihrer neuen Nummer eins so manche parteiinterne und öffentliche „Catfights“ erleben wird, stellt sich die Frage, welche Konsequenzen das CSV-Spiel für Claude Wiseler hat. Es herrscht bereits jetzt gegenüber seinen Mitstreitern massiver Erklärungsbedarf. Der „offensichtliche“ Kandidat, wie man ihn auch hinter den Kulissen nennt, wird folglich aus mehreren Gründen unnötig geschwächt.
Die verfrühten Diskussionen sind zwar ein medienwirksames Spektakel, allerdings verändern sie auch die Natur des ohnehin nicht wirklich demokratischen Spitzenkandidat-Findungsprozesses.

Denn: Die Kandidaten müssen sich nicht, wie in den USA bei sogenannten „Primaries“, also Vorwahlen, ihrer Partei und Wählern stellen. Parteipräsident Marc Spautz führt im dunklen, stillen Kämmerlein Gespräche mit Wiseler und Co. Im Anschluss stellt er dem Nationalrat einen Kandidaten vor. Der Rest dürfte dann nur noch Formsache sein.

Wenn aber nicht über die vier Kandidaten abgestimmt werden kann, führt das zurzeit stattfindende Non-Event wegen der internen Machtkämpfe zu einer Schwächung Wiselers und zu Phänomenen wie dem Gesichtsverlust Redings. Die Taktik der Konservativen könnte folglich schneller nach hinten losgehen als so manchem Konservativen lieb beziehungsweise klar ist.