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Politische Kulturen

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CSV blockiert Referendum / LSAP winkt CETA durch.

Zwei Parteikongresse prägten die vergangene Woche, wobei der erste ein außerordentlicher CETA-Kongress der LSAP und der zweite ein Konvent zur Kür des Spitzenkandidaten der CSV war.

Die jeweiligen Delegiertentreffen sagten viel über die innerparteiliche Kultur aus: Während sich die LSAP heftig über den Sinn bzw. Unsinn des Handelsabkommens CETA (und am Rande auch von TTIP) stritt, hatten die Christlichsozialen in altbewährter Manier bereits im Vorfeld entschieden, wer Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen in zwei Jahren sein wird.

Kampfabstimmungen sind irgendwie nichts für die CSV, die angedachte Mitbestimmung der Parteimitglieder fand nicht statt. Vielleicht liegt es hieran, dass der mit 98 Prozent Zustimmung „gewählte“ Spitzenkandidat Claude Wiseler in seinem 18-Punkte-Programm das von der Regierung vorgesehene Referendum, das noch während dieser Legislatur stattfinden sollte, ablehnt.

Da es bei der Volksabstimmung um die Verfassungsreform gehen sollte und zwei Drittel der Abgeordnetenstimmen hierfür notwendig sind, ist die parlamentarische Mehrheit auf die Stimmen der CSV angewiesen.

Zweites Referendum definitiv vom Tisch

Damit wäre das zweite Referendum in dieser Legislaturperiode definitiv vom Tisch – die Verweigerung der CSV blockiert somit die gute Absicht der Dreierkoalition, mehr direkte Demokratie zu wagen. Allerdings möchte der neue Spitzenkandidat von Konvents Gnaden eine nationale Volksabstimmung über Gemeindefusionen, was die DP-Gemeindevertreter (FCCD) bereits zu geharnischtem Protest veranlasste. „Gemeindefusionen müssen von den Gemeinden selbst ausgehen und von den Bürgern mitgetragen werden, erzwungene Gemeindefusionen … lehnen wir ab“, erklärte die FCCD nicht zu Unrecht.

Ansonsten waren Wiselers 18 Punkte, die zu einem Wahlprogramm ausgearbeitet werden sollen, wenig fassbar. So soll die „aktuelle Gießkannenpolitik“ beendet werden, die Steuerreform gehe „nicht weit genug“ und das Wachstum des Landes solle „organisiert“ geschehen. Dass es Wiselers Ziel ist, seine Partei wieder an die Macht zu bringen, muss nicht speziell erwähnt werden. Wie dies geschehen könnte, erläuterte Parteipräsident Marc Spautz am Samstag – nämlich gegebenenfalls auch mit den Abgeordneten der ADR …

Die anderen Probleme der LSAP

So weit ist die LSAP noch nicht. Sie hat zurzeit andere Probleme: Auch wenn die Abstimmung so verlief, wie die Parteileitung es wollte, bleibt ein schaler Nachgeschmack. Hätte Jean Asselborn seine politische Zukunft nicht mit einem Ja zu CETA (mit einigen leichten Verbesserungen) verbunden, wäre der Kongress wohl rationaler verlaufen, der Frust der „Linkssozialisten“ und der „Jusos“ weniger groß gewesen.

Die Kundgebung vom Samstag zeigte überdies, dass es eine ernst zu nehmende öffentliche Gegenkraft zu CETA gibt, und die zahlreichen Gewerkschafter, Umweltaktivisten und Bürger, die mit den Füßen auch gegen den LSAP-Kongressbeschluss demonstrierten, sind potenzielle Wähler der Partei. Da mag es wenig trösten, dass sich die Bauernallianz von Asselborn überzeugen ließ und das Abkommen mit Kanada jetzt gut findet.

rschneider@tageblatt.lu