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Liftstörung

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(Tageblatt)

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Erziehung ist nicht nur Schulsache

Es gibt sie, die Fälle von Kindern aus bescheidenen Familienverhältnissen, die es in Luxemburg geschafft haben, es bis zu höchsten Staatsämtern brachten, Managerfunktionen in der Privatwirtschaft innehaben oder eine erfolgreiche akademische Karriere starteten. Genauso zutreffend ist jedoch die Behauptung, dass Kinder aus dem früher Arbeiterschicht genannten Milieu und aus kleinen Angestellten- oder Handwerkerfamilien nach wie vor in der klassischen Sekundarschule und später auf den weiterführenden Hochschulen unterrepräsentiert sind. Und weil die meisten Arbeiter heute Nicht-Luxemburger sind, ist das Problem unterrepräsentierter Bevölkerungsschichten in höheren Schulen ein solches von Nicht-Luxemburgern.

Natürlich bemühen sich viele Eltern trotz bescheidener Einkommen um eine gute Schulausbildung der Kinder. Doch scheitert das Unternehmen oftmals an harten materiellen Fakten. Wer seine monatlichen Ausgaben bis auf den Cent genau berechnen muss, wird auf solch „überflüssigen Luxus“ wie den Besuch kultureller Veranstaltungen, Bildungsreisen mit den Kindern, Museum verzichten. Literarische Werke und überhaupt Bücher fallen dann genauso in die Kategorie Luxus wie eine ausgewogene, biologisch einwandfreie Ernährung, die trotz gegenteiliger Behauptungen das Haushaltsbudget spürbar stärker belastet als die Konservennahrung oder die Fertiggerichte vom Discounter. Mit allen sich daraus ergebenden Folgen für die Gesundheit der Kinder, für ihre körperliche und geistige Entwicklung.

Dramatisch sind die Ergebnisse, die Unicef Luxemburg diese Woche vorlegte. Bis zu drei Jahre beträgt der Bildungsrückstand bei Kindern aus den ärmsten Familien im Vergleich zu denen aus Haushalten mit mittlerem Einkommen. Bei Gesundheitversorgung, Bildungschancen, Lebenszufriedenheit fällt Luxemburg im Vergleich zu den anderen OECD-Ländern weit zurück. So erschreckend die Schlussfolgerungen dieser Vergleichsstudie auch sein mögen, sie spiegeln lediglich das wider, was die Caritas erneut diese Woche in ihrem Sozialalmanach und die Berufskammer der Privatangestellten seit Jahren schon in ihrem Sozialpanorama festhalten: Die sozialen Ungleichheiten in der Gesellschaft nehmen zu. Der Schule gelingt es immer seltener, die Voraussetzungen zu schaffen, damit diese Unterschiede später, nach dem Berufseintritt der jungen Menschen, verringert, wenn nicht ausgemerzt werden können.

Das Problem des stotternden „ascenseur social“ ist kein rein luxemburgisches. Ähnliche Ergebnisse stellten Forscher auch in unseren Nachbarländern fest. Doch für Luxemburg mit seinem hohen Anteil an Nicht-Luxemburger Familien, einem wegen der Mehrsprachigkeit äußerst komplizierten Schulsystem, ergibt sich eine selten schwere Herausforderung. Sich ihr stellen müssen natürlich die Politiker, die Erzieher und Lehrer.

Gefordert sind jedoch auch die Eltern selbst. Denn auch sie erliegen leider allzu schnell den sich überall anbietenden bequemen, aber nicht immer zielgerechten Lösungen erzieherischer Alltagsprobleme, sei es am Mittags- bzw. Abendtisch, wenn es den noch gibt, oder in der Freizeit am Wochenende. Ungleichheiten allein auf schulische Defizite zu reduzieren, wäre doch wohl zu einfach.