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Katze im Sack

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Wenn nur Köpfe zählen

Gar Seltsames spielt sich dieser Tage im politischen Mikrokosmos Luxemburg ab. Da werden Namen von möglichen Spitzenkandidaten genannt, über ihre charakterlichen Vor- und Nachteile debattiert, ihre Popularitätswerte in den Umfragen analysiert und interpretiert. Doch für welche politischen Inhalte sie einstehen, welche programmatischen Schwerpunkte sie unbedingt realisieren würden, wenn man sie denn ließe, interessiert scheinbar niemanden. Ähnlich verhält es sich übrigens bei der anstehenden Regierungsumbildung. Anwärter auf Ministerposten stehen in den Startblöcken. Doch wie würde der/die Auserwählte den möglichen Ressort mit Leben erfüllen? Genaueres weiß man nicht.

Lucien Montebrusco
lmontebrusco@tageblatt.lu

Der nun von der CSV-Parteiführung als Spitzenkandidat erkorene Claude Wiseler verspricht, seine Vorstellungen in Bälde vorzulegen. Dabei dachten wir, vermutlich allzu naiv, dass Politiker, die sich in die Verantwortung drängeln, um dort ihre Vorstellungen einer Gesellschaft umzusetzen, diese bereits vor ihrer Investitur bekannt geben könnten. Verglichen mit dem rezenten CSV-Schaulauf sind die US-Vorwahlen ein Musterbeispiel von Transparenz. Immerhin wissen sowohl Trump- als auch Clinton-Anhänger, was sie an ihren Favoriten haben, auch wenn die Wünsche und Vorstellungen eines Trump einen doch erschauern lassen. Idem für die frühere, parteiinterne Konkurrenz bei den Republikanern und vor allem Demokraten.

Nicht schwarzweiß

Doch auch bei der CSV ist nicht alles schwarzweiß. Man mag den ehemaligen Finanzminister Luc Frieden sympathisch finden oder auch nicht. Doch ihm kommt das große Verdienst zu, seine potenziellen Wähler im Land und in der eigenen Partei nicht im Ungewissen zu lassen. Sein politisches Credo hatte er bereits in seinem vor kurzem veröffentlichen Buch „Europa 5.0. Ein Geschäftsmodell für unseren Kontinent“ unmissverständlich dargelegt. Für welche Politik er einstehen würde, würde er denn Premierminister, bestätigte er in einer rezenten RTL-Background-Sendung. Aufweichung der Sozialgesetzgebung, Verlängerung der Lebensarbeitszeit, Lockerung des Kündigungsschutzes, Flexibilisierung des Mindestlohns. Mit Frieden als Spitzenkandidat und dann als möglicher Premierminister hätte man sich einen Vollblut-Liberalen ins Haus genommen, einen Befürworter eines von allzu strengem sozialem Beiwerk entledigten Kapitalismus.

Dieses „franc-parler“ wurde Frieden zum Verhängnis in seiner Partei, zusätzlich zur Fahnenflucht, die ihn in das lukrativere und prestigiösere Exil bei der Deutschen Bank in London getrieben hatte. Da hatten sich die Hansen, Reding und auch Wiseler wesentlich klüger angelegt und vorerst mal den Mund gehalten.

Wie hatte doch Friedens Ziehvater, Jean-Claude Juncker, in einem Augenblick politischer Unvorsichtigkeit gesagt: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“ Die Maxime hat sich Frieden nicht zueigen gemacht. Zumindest dafür verdient er Respekt.

Auf die programmatischen Leckerlis des nominierten CSV-Spitzenkandidaten wird man indes mit Spannung warten dürfen.