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Inszenierte Macht

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Zur Selbstdarstellung der Polizei

Vor rund zwei Wochen sorgte ein eigentlich belangloser Polizeieinsatz wegen nächtlicher Ruhestörung in Luxemburg für Aufregung. Mehrere Jugendliche hatten auf der Terrasse eines Hauses in Steinfort etwas zu laut gefeiert. Die Nachbarn hatten sich beschwert und die Polizei gerufen. Den darauf folgenden Polizeieinsatz im Wohnzimmer hatte ein Jugendlicher mit seinem Smartphone gefilmt. In dem Clip ist zu sehen, dass ein sichtlich gereizter Polizist einen der jungen Männer mit einem Kissen bewirft und ihn als «Kallef» beschimpft.

Dieser eher zufällig mitgeschnittene Einsatz wirft eine Reihe von Fragen auf.

Zum Ersten rief der Clip, der auf Facebook veröffentlicht wurde, zahlreiche zum Teil ganz unterschiedliche Reaktionen hervor. Während die einen das Verhalten des Polizisten verurteilten, befürworteten die anderen seine Vorgehensweise und erinnerten an früher, als Polizeigewalt gegen Bürger wohl selbstverständlich und noch viel heftiger gewesen sein musste.

Ähnlich geteilt waren auch die Reaktionen der Polizisten selbst, von denen so manch einer sich beim Feierabendbier zu der Aussage hinreißen ließ, besser wäre der Gummiknüppel anstelle des Kissens zum Einsatz gekommen, derweil andere den Vorfall durchaus kritisch betrachteten. Der Minister für Innere Sicherheit, Etienne Schneider, bedauerte einige Tage später, dass die Angelegenheit in der Presse hochgespielt worden sei.

Und tatsächlich: Wäre die Szene nicht gefilmt worden, hätte sich niemand darüber aufregen können, weil das Vorgehen des Polizisten mit höchster Wahrscheinlichkeit gar nicht an die Öffentlichkeit gelangt wäre. Denn welcher Jugendliche würde sich schon trauen, die mächtige repressive Staatsgewalt zu verklagen?

Doch wie, wenn nicht durch gerichtliche Schritte, kann das Fehlverhalten von Polizisten gegenüber Zivilisten publik gemacht werden?

In den Mitteilungen, die die Pressestelle der Polizei tagtäglich veröffentlicht und die für jeden einsehbar sind, werden solche Fauxpas nicht erwähnt. Schließlich sind es ja die Polizisten selbst, die die Einsatzberichte verfassen, und es ist nur schwer vorstellbar, dass ein Polizist darin gesteht, dass er unerlaubt in eine Wohnung eindringt, eine Person einzig aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres Aussehens verdächtigt und kontrolliert, Kraftausdrücke gebraucht oder unbegründet Gewalt anwendet.

Ferner werden die Meldungen, bevor sie an die Öffentlichkeit gelangen, noch einmal von der Pressestelle kontrolliert und «bereinigt», so dass im Endeffekt nur noch das drinsteht, was die Großherzogliche Polizei als «wichtig» erachtet.

Das Resultat sieht dann so aus, dass es immer die Bürger sind, die sich danebenbenehmen und unerlaubt Widerstand gegen die Staatsgewalt leisten, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Jedoch enden die von der Polizei erzählten Geschichten in den allermeisten Fällen damit, dass die beteiligten Bürger mit legalen Mitteln zur Vernunft gebracht werden und in der Untersuchungshaft, Ausnüchterungszelle oder beim Arzt landen. In manchen Berichten werden Betroffene, die sich mutmaßlich ungeschickt angestellt haben, noch zusätzlich der Lächerlichkeit preisgegeben.

Dabei wäre es in vielen Fällen interessant, nicht nur die doch sehr einseitige Darstellung der Polizei zu lesen, sondern auch die Sichtweise der sogenannten «Täter» zu hören.

Vielleicht können die digitalen Technologien und mobilen Endgeräte ja ihren Beitrag dazu leisten. Denn Kameraüberwachung funktioniert nicht nur als repressive Maßnahme, sie kann auch aufklärend eingesetzt werden, wie das rezente Beispiel in Steinfort gezeigt hat.