Déborah de Robertis hat es wieder getan. Diesmal im Pariser Museum für asiatische Kunst, dem Musée Guimet. Halbnackt setzt die Künstlerin sich breitbeinig vor ein Gemälde. Nur mit durchsichtigem Kimono bekleidet und einer saftigen, triefenden Wassermelone im Schoss. Die Polizei rückt an, das Gebäude wird geräumt und Sicherheitsabtrennungen um de Robertis gespannt. Das Prozedere ähnelt dem vor gut zwei Jahren, als de Robertis sich nackt vor Courbets Werk „L’origine du monde“ im Musée d’Orsay setzte, ihre Schamlippen auseinanderzog und sich dadurch den Stempel einfing, grenzenlos provokant und ein bisschen verrückt zu sein.
Natürlich ist de Robertis provokant und sicherlich auch ein bisschen verrückt, das konnte man auch an ihren Reaktionen sehen, als das Casino – Forum d’art contemporain vor einem Jahr entschied, die mit de Robertis geplante Ausstellung kurzfristig abzusagen. Doch wird man der Künstlerin nicht gerecht, wenn man sie darauf reduziert. Ihre Selbstinstallationen sind weit mehr. Sie sind feministisches und politisches Statement, sie sind eine Auflehnung gegen herrschende Machtstrukturen. Ja, sie stellen die Daseinsberechtigung von Kulturinstitutionen infrage. Und gerade der letzte Punkt ist auch in Anbetracht der Saisoneröffnungen hier in Luxemburg durchaus einige Überlegungen wert.
Immer schneller
Unsere Welt wird immer schneller, und gerade große Institutionen haben Schwierigkeiten, mit dem Tempo mitzuhalten und sich an die Herausforderungen einer immer heterogener werdenden Gesellschaft anzupassen. Die Bedürfnisse haben sich geändert, die von Künstlern, aber auch jene des Publikums. So wie de Robertis es nicht einsieht, sich von Institutionen die Autorisation für ihre Installationen geben zu lassen, da solch eine Vorgehensweise die Freiheit des Künstlers einschränke, wird auch das Publikum anspruchsvoller. Es reicht nicht mehr, ein paar Bilder aufzuhängen und von den Besuchern zu verlangen, sie sich mit Hochachtung und ordentlichem Sicherheitsabstand anzusehen. Es reicht auch nicht mehr, ein Nationalwerk auf die Bühne zu bringen, seine Besucher in Stuhlreihen davor zu platzieren und für zwei Stunden um Ruhe zu bitten. Das Publikum möchte mitmachen, eingespannt werden, immer stärker nicht nur passiver Konsument, sondern aktiver Mitgestalter sein.
Viele Institutionen haben diesen Trend erkannt und setzen immer mehr auf partizipative Kulturprojekte, besonders in der Jugendarbeit und in
der kulturellen Bildung. Dennoch fällt es vielen schwer, Kulturarbeit mit einer gesellschaftspolitischen oder auch sozialen Mission zu verbinden, ohne dass der Künstler zum Sozialarbeiter degradiert wird. Doch gerade institutioneller Kulturarbeit muss die Überzeugung zugrunde liegen, dass Kunst und Kultur treibende Kräfte sind, um den Zusammenhalt einer Gesellschaft zu fördern. Sonst bleiben große Worte wie Nachhaltigkeit und Kohäsion nichts weiter als leere Worthülsen. De Robertis hat zum Auftakt der Saison daran appelliert, die Rolle von Institutionen grundsätzlich zu überdenken, und uns alle dazu aufgerufen, kritisch zu sein. Und kritische Stimmen – nicht zu verwechseln mit den Meckerern – braucht unsere Gesellschaft mehr denn je.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können