In den letzten Wochen sind sie wieder in die Schlagzeilen geraten, die Treuesten der Treuen in den Fußballstadien. Diese Stimmungsmacher nennen sich Ultras (nicht zu verwechseln mit Hooligans). Ultras sehen die Kommerzialisierung des Fußballs kritisch, unterstützen ihre Mannschaft jedoch in der Regel bedingungslos.
In Ägypten spielten die Ultras von Al-Ahly, dem bekanntesten Fußballverein des Landes, eine ganz entscheidende Rolle bei der Revolution 2011 und wurden ein Jahr später bitter dafür bestraft, dass sie auf dem Tahrir-Platz wochenlang das Bollwerk der Demonstranten gegenüber der Polizei bildeten. Über 70 Fans wurden bei einem Spiel in Port Said getötet, die Polizei sah tatenlos zu.
Warum die Fußballanhänger eine derart wichtige Rolle beim ägyptischen Umschwung spielen konnten, erklärt sich im Wesen der Bewegung. Ultras sind in der Regel gut organisiert, die Mitglieder jung und der Zusammenhalt groß.
Allerdings sind Ultras nicht davor gefeit, dass sich immer wieder einige Idioten danebenbenehmen. Da nutzt es meist wenig, dass die große Mehrheit sich von den gewaltbereiten „Fans“ distanziert. Mitgefangen, mitgehangen, wie zuletzt die Kollektivstrafe mit der Sperrung der Dortmunder Südtribüne nach den Vorkommnissen rund um das Spiel gegen Red Bull Leipzig zeigte. Harmlose Auswärtsfans, zum Teil Familien, waren durch das nicht zu entschuldigende Auftreten einiger Dortmunder zu Schaden gekommen.
Wobei Vereine wie RB Leipzig für echte Fußballfans nicht wertneutral sein können. Leipzig steht sinnbildlich für den Kommerz, der den Sport in den letzten Jahrzehnten so stark verändert hat, dass die Fans um den Fortbestand der Fußballkultur fürchten. Schließlich ist die Seele des Fußballs längst verkauft. Dafür verantwortlich sind die Verbandsoberen auf allen Ebenen. Ob Champions-League-Reform oder der Verteilungsschlüssel der TV-Gelder, die Zweiklassengesellschaft wird weiter gefördert und sorgt dafür, dass die Big Player unter den europäischen Vereinen immer reicher werden und der nationalen Konkurrenz meilenweit entrückt sind. Vom Solidaritätsprinzip, das im Interesse der Chancengleichheit und eines offenen Wettkampfs ist, findet sich keine Spur mehr, wenn der Branchenprimus zehnmal so viel Geld in sein Team stecken kann wie die Konkurrenz im eigenen Land.Der Fußball folgt in Europa blind den kapitalistischen Regeln und ist demnach mehr Kommerz als Sport. Was sich zwangsläufig auf die Stadionbesucher auswirkt. Da wäre einerseits die Zerstückelung der Spieltage, die immer neue Dimensionen erreicht. Die Haupteinnahmequelle der Profiligen sind die Übertragungsrechte. Und wer Milliarden Euro investiert, der kann auch Forderungen stellen. Am Beispiel Deutsche Bundesliga bedeutet das, dass auf Wunsch des TV-Rechteinhabers Sky in der nächsten Saison Spiele am Freitag Abend, Samstag Nachmittag, Samstag Abend, Sonntag Nachmittags und Montag Abends stattfinden. Für den Stadionbesucher ist das ein Unding, zumal das Bundesliga-Programm direkten Einfluss auf die Anstoßzeiten der unteren Ligen hat. Dort werden die Spiele auch unterhalb der Woche derart absurd früh angepfiffen, dass Auswärtsfahrten für die allermeisten Fans von vornherein ausgeschlossen sind.
Das Hochglanzprodukt Fußball ist ein Riesengeschäft. Was die TV-Sender dabei am meisten interessiert, sind schöne Bilder. Familiengerechte Unterhaltung ohne Misstöne verkaufen sich am besten. Unberechenbare Fans können im Hochglanzprodukt eigentlich nur stören. Zwar will kein Verein auf die Stimmung im Stadion verzichten, jedoch fürchtet man sich vor der Unberechenbarkeit der Kurve. Vergessen wird dabei oft, dass der Fußball von Emotionen lebt. Emotionen, die sich auch auf den Rängen widerspiegeln. Noch ist es nicht so weit, dass der Fußballfan ein einfacher Konsument ist, wie sich die Vereine das vielleicht wünschen. Er muss das Recht haben, sich zu artikulieren und den überbordenden Kommerz zu kritisieren. Unentschuldbar sind allerdings Szenen wie in Dortmund. Die (Sport-)Politik reagiert auf solche Vorfälle immer härter. Wenn es so weitergeht, dann werden sich Kollektivstrafen häufen. Der Tag naht, an dem verbale Aggressionen wie es sie seit ewigen Zeiten in Stadien gab, bestraft werden. Und an dem fußballtypische Polemik in Form von Schmäh-Rufen oder -Bannern unter Strafe stehen wird.
Wollen die Ultras Fußball als Kulturgut wirklich erhalten, dann gibt es im Grunde nur eine Lösung: die „Selbstreinigung“ der Kurve. Den „Aufstand der Aufrichtigen“, wie es die deutsche Polizei nannte. Zumindest in Dortmund trug der Aufruf seine Früchte, wurde doch ein Bus voller gewaltbereiter Fans am Wochenende nach Leipzig von der Polizei gestoppt. Der Tipp kam aus dem Lager der Ultras.
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