Rückkehr zur Holzklasse? Transportpolitik ist keine Sozialpolitik!

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Gratis-ÖPNV ist keine gute Idee. Würde er eingeführt, dann müssten die Menschen wieder Holzklasse fahren.

Von Frank Bertemes*

Fehler zu machen, ist leicht,
Fehler zu erkennen, fällt schwer,
Fehler zu korrigieren, ist schwer

Und: Fehler zu vermeiden, bevor man sie begeht … ist doch leicht! Oder doch nicht? So eine einleitend, mit Verlaub, persönliche Einschätzung … Fehler vermeiden also – für einmal in weiser Voraussicht dessen, was da kommen wird. Und diese Einsicht – der Titel dieses Beitrages deutet es schon an – haben immer mehr tägliche Bahnkunden, die mit Recht nicht dazu bereit sind, sich von wenig durchdachten politischen Werbesprüchen à la «Gratis-ÖPNV» blenden zu lassen, einer Vorreiterinitiative im Sinne eines (vermeintlichen) «Nation Branding»-Coups der besonderen Art, der allerdings bei näherer Betrachtung sehr leicht als «Nation Blending» entlarvt werden kann – und das eben nicht erst auf den zweiten Blick!Und: Fehler zu vermeiden, bevor man sie begeht … ist doch leicht! Oder doch nicht? So eine einleitend, mit Verlaub, persönliche Einschätzung … Fehler vermeiden also – für einmal in weiser Voraussicht dessen, was da kommen wird. Und diese Einsicht – der Titel dieses Beitrages deutet es schon an – haben immer mehr tägliche Bahnkunden, die mit Recht nicht dazu bereit sind, sich von wenig durchdachten politischen Werbesprüchen à la «Gratis-ÖPNV» blenden zu lassen, einer Vorreiterinitiative im Sinne eines (vermeintlichen) «Nation Branding»-Coups der besonderen Art, der allerdings bei näherer Betrachtung sehr leicht als «Nation Blending» entlarvt werden kann – und das eben nicht erst auf den zweiten Blick!Die Eisenbahn, das Verkehrsmittel der Zukunft! Klassisches Zugmaterial und Tram – respektive S-Bahnen, wie uns Verkehrswissenschaftler schon vor Jahren klarmachen wollten … Nur wir Luxemburger waren da eher beratungsresistent, leider! Die im ÖPNV-Netz viel zu viel eingesetzten Busse sind in diesem Gesamtkontext gesehen immer nur Zubringer – um auch das klarzustellen.

UIC

… heißt der internationale Eisenbahnverband. Im Oktober 1922 nahm die «Union internationale des chemins de fer» (UIC) ihre Arbeit auf. Sitz des Verbands ist bis heute Paris. Als zwei der wichtigsten Ziele seiner Arbeit führte der «Internationale Eisenbahnverband» schon in seiner damaligen Satzung die Zusammenarbeit der Bahnen und die Förderung des internationalen Eisenbahnverkehrs an.

Die Erkenntnis des vorrangig als Hauptverkehrsträger einzusetzenden schienengebundenen Transportmittels «Zug» als Rückgrat des ÖPNV kam im Autoland Luxemburg erst spät. Viel zu spät … Der Verdacht liegt ob des aktuellen alltäglichen Verkehrschaos wahrlich nahe.In diesen Kontext passt dann auch die heuer aktuelle Debatte um die Wagenklasse, die sich nach der ominösen «Gratis-ÖPNV»-Ankündigung, die allerdings niemand im Ernst erwartete, selbstverständlich ergeben musste. Die Wagenklasse bezeichnet bei der Eisenbahn die Beförderung in Wagen auf einem bestimmten Komfortniveau. Üblicherweise werden die Wagenklassen nummeriert. Die 1. Klasse bezeichnet die Klasse mit dem höchsten Komfort. Die Bezeichnung «Wagenklasse» rührt daher, dass ursprünglich jeweils ganze Wagen einheitlich ausgestattet waren. Heute gibt es in vielen Zügen Plätze verschiedener Klassen in einem Wagen; in dem Fall wird oft auch einfach verkürzt von 1. Klasse oder 2. Klasse gesprochen – und diese generell am meisten genutzte 2. Klasse ist durchaus nicht abwertend zu verstehen.

Die ehemals auch bestehende 3. Klasse wies bis zu ihrer Abschaffung ausschließlich Holzbänke auf, weshalb sie auch als (siehe Titel) Holzklasse bezeichnet wurde. Im Juni 1956 wurde in allen UIC-Mitgliedstaaten (siehe Kasten) die 3. Klasse mit Beginn des Sommerfahrplans abgeschafft – dass es auch einmal eine 4. Klasse gab, ist eher irrelevant und sei deshalb auch nur nebenbei bemerkt.

«Not amused»über die DP

Minister François Bausch ist ein intelligenter und generell vorausschauend denkender Politiker, der nicht nur als erfahrener Eisenbahner in der Transportpolitik durchaus erfolg- und ideenreich zu agieren versteht. Er dürfte mit Sicherheit «not amused» von der DP-Umsetzung einer von dieser Partei in ihrem Wahlprogramm angedachten Forderung gewesen sein, einer Partei, die darüber hinaus irgendeiner verkehrspolitischen Kompetenz völlig unverdächtig ist. Eine liberale Partei, von der gewisse ihrer ideologisch gezielt wirtschaftsliberal eingestellten Protagonisten vor Jahren schon die CFL-Gesellschaft tatsächlich abschaffen wollten und den öffentlichen Schienentransport hierzulande, von diesen ungeniert und im Ernst gemeint, von der SNCF so nebenbei «miterledigen» lassen wollten.

Egal wie, die heuer aktuelle Kröte des Gratis-ÖPNV, die die Grünen schlucken mussten, soll dann nun der grüne Minister mit den CFL-Verantwortlichen durchführen. Eine mehr als bedauerliche Aufgabe, die so einige völlig verständlich in Aufregung versetzt. Vor den Wahlen war der engagierte Minister deshalb auch sehr deutlich, was die Idee der Einführung eines generell «gratis» öffentlichen Transportes angeht. Bausch (so das Land vom 14. Dezember zitiert) nannte das Gratisversprechen der DP in ihrem Wahlprogramm «Populismus». Mehr ist das nämlich auch nicht – realpolitisch betrachtet. Ohne sich allerdings zu wiederholen, will der Zeilenschreiber deutlich machen, dass das klare Risiko besteht, dass die noch bestehende «2. Klasse» (die dem Bahnkunden einen absolut anständigen Komfort in günstigem Tarif anbietet) wieder – und die terminologische Übertreibung sei diesbezüglich im Komfortkontext zu lesen – zur Holzklasse zu degradieren droh.

Diesbezügliche Stichworte, von denen einige «Begeisterte» heuer scheinbar nichts hören wollen: ungenügende Transportkapazität, aktuell zu wenig verfügbares Zugmaterial, zu wenig verfügbare Sitzplätze, generell überlastete Züge, zunehmende Belästigungen diverser Art durch fragwürdige «Bahnbenutzer», Alkohol-, Drogen- und Gewaltprobleme, verschmutzte Züge, stark beeinträchtigter Sitzkomfort durch mangelnde Hygiene usw. … Ein riskierter Rückschritt? Genauso wie jener, die Bahnkunden wieder zum Bahnbenutzer zurückzustufen. Man erspare uns doch bitte diese unweigerlichen Diskussionen, die in Bälde dann Alltag zu werden drohen! Mit allen Konsequenzen übrigens.

Man ignoriere übrigens auch nicht, dass so manche Bahnkunden eher bereit wären, mehr zu zahlen als eben gar nichts, nur um den Komfort zu behalten, den sie heuer noch genießen dürfen – in anständiger öffentlicher CFL-Dienstleistung, die mit Engagement kundenorientiert ist –, zumindest Stand heute noch … Soll dem etwa in naher Zukunft nicht mehr so sein? Zurück zum (nicht nur gefühlten) Niveau Holzklasse? Und ohne an dieser Stelle eine sozialpolitische Debatte auslösen zu wollen, mitnichten!

(Vermeintlich) «soziale» Maßnahme

Minister Bausch bestätigt, dass die Tendenz dahin gehe, die erste Klasse beizubehalten – natürlich weiterhin gegen Bezahlung! Aber die Entscheidung, so der Minister im Tageblatt-Interview vom Samstag, sei noch nicht getroffen. In diesem Zusammenhang betont Bausch auch ausdrücklich und wie bereits erwähnt, dass er immer gegen diese Maßnahme argumentiert hat – und dazu auch heute noch steht! Sehr lobenswert – nur: Dass dies eine (vermeintlich) «soziale» Maßnahme sein soll, wie die Regierungsmannschaft heuer wie aus einem Munde betont, glaubt er sich und seinen Regierungskollegen doch wohl selbst nicht … oder?

Denn ob der wahrlich aktuell schon sozialen Tarife des Inlands-ÖPNV und all jenen, die sowieso schon ob der diversen bestehenden Regelungen gratis fahren dürfen, muss man eines klar und deutlich betonen: Die Sozialpolitik ist keine Aufgabe der Verkehrs -und Transportpolitik! Die transportpolitischen Aufgaben sind an sich völlig unabhängig von sozialpolitischen Vorgaben und stehen eher in direktem Kontext der Wirtschaftspolitik, eine Erkenntnis, die man beispielsweise in der Schweiz längst hatte. Hier fahren beispielsweise Banker und Angestellte seit ewigen Jahren in anständigen und bestens funktionierenden Bahnen zusammen zur Arbeit! Von Gratis-Transportleistungen redet man überhaupt nicht – ein luxemburgisches «hot topic» ist in der Schweiz (und bestimmt nicht nur dort) eher ein absolutes No-Go! Und deshalb sei noch und nöcher betont, dass auch die nationale Wirtschaft eines Landes von einer anständigen, durchdachten, optimal funktionierenden und in diverser Hinsicht qualitätsorientierten Verkehrs- und Transportpolitik profitiert, diese als selbstverständlicher «Zubringer» einer auch wirtschaftlich erfolgreichen Nation dient, die dann eben auch ob der gemeinsam realisierten Wirtschaftsleistung Garant einer optimalen Sozialpolitik für alle sein kann! Das dürfte ebenfalls klar sein.Und auf das mehr als bedauerliche Niveau einer Holzklasse brauchen wir uns doch wohl niemals mehr herabzulassen … Packen wir’s an – und vergessen den «Gratis»-ÖPNV!

* Der Autor ist Angestellter der CFL und schreibt regelmäßig Beiträge zu sozialen Themen im Forum.

 

rowo
10. April 2019 - 12.50

Leider tempi passati!

boufer
22. März 2019 - 15.15

Dat waren nach Zäiten, wéi de Charly an de Jangeli mat Volldamp duerch d'Natur ennerwee waren! Deemols gouf ët nëmmen eng Holzklass, am Sëtzen oder Stoen. A mat e bëssche Chance huet een och nach dierfen mat Hand upaken an hëllefen drécken. Deemols war d'Zuchfueren och nach sportlech, all inclusive ! Sapperlot!

roger wohlfart
10. Januar 2019 - 18.13

Und in diesem Zusammenhang: Fehler einzugestehen, sich und den andern gegenüber, ist am schwersten. Nur wer aus Fehlern lernt macht Fortschritte. Eine Wiedereinführung der Holzklasse hätte fatale Folgen und wäre der Tod des öffentlichen Personentransportes Wenn schon eine 1. Klasse für die Begüterten, dann auch eine bezahlbare 2. Klasse und eine kostenlose 3.Klasse, ohne Komfort, für die Fahrgäste, die sich nicht zu benehmen wissen und natürlich mehr Zugpersonal mit mehr Befugnissen.

Jhang
3. Januar 2019 - 13.06

Eine allgemeine wirtschaftliche Binsenweisheit ist: was nichts kostet ist nichts und wird auch nicht geschätzt. Leider ist das die Realität und längerfristig gesehen wird der Bahnservice sich den Gegebenheiten anpassen müssen und die "Holzklasse" bleibt unausweichlich. Man sollte nach vorne schauen und sich ein Beispiel an der Schweiz nehmen. Aber dafür braucht man eben Politiker mit Kenntnissen in Volkswirtschaft. Die DP müsste diese eigentlich haben.

Jean Bodry
2. Januar 2019 - 16.57

Dee Frank Bertemes huet Recht! Wann de ëffentlechen Transport soll gratis ginn. Muss hien verstaatlecht ginn! An dann ass hien net méi gratis!