Allein deshalb ist dieses – an sich eher abwertende, rätselhafte Adjektiv „rabulistisch“ schon mal eine Thematisierung wert. Es wird in den Lexika als „haarspalterisch, spitzfindig, sophistisch“ definiert. Beispiel: „Seine rabulistische Art konnte jeden innerhalb kürzester Zeit zur Weißglut bringen.“
Nur: Wenn jemandem eine „etwas rabulistische Auffassung“ vorgeworfen wird, so kann dessen (vermeintliche) Haarspalterei ob seiner verfassten Texte – vielleicht auch eine Form der „Selbstanklage“ des bescheidenen Zeilenschreibers und deshalb durchaus auch selbstkritisch zu lesen – jedoch ebenfalls als Aufforderung ebendieses (vermeintlichen) „Rabulisten“ an die Leserschaft verstanden werden, deren Neugier zu wecken, gar etwas zu lernen – ohne sich allerdings den etwaigen Vorwürfen der Besserwisserei oder des Einbringens diskussionsferner Aspekte, semantischer Verschiebungen (siehe eben das im Titel thematisierte Adjektiv) oder gar Wortverdrehungen auszusetzen. Diese Absicht liegt eben nicht vor!
Doch rabulistisch zu sein ist vielleicht angesagter als je zuvor. Besonders in sehr bedenklichen Zeiten, wie sie genau zu diesem Zeitpunkt bestehen. Zeiten einer „Pandemie“ – von deren Ursache wer die Wahrheit wirklich kennt? fragt sich der Rabulist so nebenbei – und der Konsequenzen dieser weltweiten Massenhysterie, die besonders für die Arbeitnehmerschaft, jedoch auch für die „Patrons“ kleiner und mittlerer Betriebe, noch zu befürchten sein werden. Die Existenzfrage wird aktueller als je zuvor! Auch wenn diese Bedenken dann als die eines „Rabulisten“ abqualifiziert werden – man wird noch sehen …
Wichtig wird bei der „Nach-Corona-Debatte“ mit Sicherheit ebenfalls der Einfluss der Gewerkschaften sein, die spätestens jetzt für die Arbeitnehmerschaft wieder überlebenswichtig geworden sind – eine gezielte Message an all jene, die dies scheinbar immer noch nicht eingesehen oder den Gewerkschaften den Rücken gekehrt haben. Es gab innerhalb der Gewerkschaftsbewegung immer herausragende Persönlichkeiten, deren Aussagen und Artikel faktisch von historischer Bedeutung sind und deshalb als hochaktuell einzuschätzen sind.
Einer dieser ehemaligen Gewerkschaftspräsidenten ist Josy Konz, der in seinen Leitartikeln des Verbandsorgans „Le Signal“ des FNCTTFEL-Landesverbandes in seiner Mandatsperiode in den Jahren 1985 bis 1998 so manche richtungsweisenden Denkanstöße, gezielte gewerkschaftliche Forderungen sowie politische Überlegungen seiner immer kämpferisch eingestellten Bahngewerkschaft veröffentlichte. „Interessenvertretung mit Prinzipien“, so beispielsweise einer dieser Texte, die man heuer durchaus in einen gewissen Kontext setzen darf. Und das durchaus wissend, dass die historische, stärkste Eisenbahnergewerkschaft, der Josy Konz rund dreizehn Jahre als Präsident vorstand, heute sehr eng partnerschaftlich mit dem OGBL verbunden ist – eine übrigens sehr gute Entscheidung, die Josy Konz bereits lange vorher in weiser Voraussicht vertrat und dafür auch schon mal „rabulistisch“ erscheinen konnte
Doch diese Weitsicht machte durchaus Sinn, auch wenn diese im Eisenbahnermilieu des Landesverbandes lange Zeit sehr wenig Anhänger fand. Der eingeschlagene Weg ist heute jedoch purer gewerkschaftlicher Realismus, der kaum noch infrage gestellt wird. In ebendiese Richtung sei an dieser Stelle ein sehr zutreffender, weil immer noch aktueller Textpassus eines von Konz verfassten Leitartikels zitiert: „Konsequente Interessenvertretung der Arbeitnehmer muss langfristig gesehen werden und an ihrer Basis müssen grundsätzliche Überlegungen und Prinzipien stehen. Dies unterscheidet die ,Freien Gewerkschaften‘ (OGBL und FNCTTFEL/Landesverband) sowohl von den christlichen als auch von den korporatistischen Gewerkschaften. Die Freien Gewerkschaften wollen auf der Grundlage des Sozialismus die bestehende stark ungerechte Herrschafts-, Besitz- und Gesellschaftsordnung mit demokratischen Mitteln verändern. Wenn das Hauptmotiv des Kapitalismus der persönliche Profit ist, dann ist das Hauptmotiv des humanistischen Sozialismus die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse, die Erweiterung der Freiheit des Individuums und die Entfaltung der Persönlichkeit auf der Grundlage wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit und eines sich ständig vermehrenden Wohlstandes.“
Soweit die inhaltlich leicht gekürzte Textpassage dieses, auch politisch gelesen, sehr interessanten Leitartikels, deren Aussage Josy Konz mit dem Gewerkschafts-Motto „Brot, Frieden und Freiheit“ weiterführte, um sich dann mit den damals aktuellen gewerkschaftlichen Themen weiter zu beschäftigen, die besonders die damaligen (und heute umgesetzten) familienfreundlichen Teilzeitbeschäftigungsregelungen beinhalteten. Heute würde man den politischen Unterton noch mit „sozial-ökologischer“ Orientierung als Basis aller Politiken erweitern.
Ferner darf man sich im Zusammenhang mit der realen Situation dieser weltweiten Pandemie, nach der es egal wie, so oder so, unter völlig veränderten Umständen weitergehen wird, gewisse Fragen aufwerfen. Das ausdrücklich im Kontext einer Arbeitswelt, die noch so manches an Veränderungen erleben wird. Politisch und gesellschaftlich wird es besonders darum gehen, ob dieser katastrophalen Erfahrungswerte eines fatalen Virus, endlich die sozial-ökologische Wende hinzukriegen, bei der eben auch die Gewerkschaften und ihr Einfluss gefordert sein werden.
Es gilt hier die Aufforderung besonders an die junge Arbeitnehmerschaft, sich zu engagieren, sich gewerkschaftlich zu organisieren und in ihrem eigenen Interesse von der einmaligen Gelegenheit zu profitieren, sich dezidiert einzubringen, geht es doch um ihre Zukunft! Es waren historisch gewachsen, eben speziell die immer kämpferischen Eisenbahner und ihre größte Gewerkschaft (siehe beispielsweise die Indexeinführung), die sich im Endeffekt immer für das Gemeinwohl einzusetzen verstanden und dabei nicht nur ihre eigenen Interessen im Vordergrund sahen. Noch heute sind die Vertreter der führenden Bahngewerkschaft einflussreich, wie beispielsweise Konz’ damaliger Nachfolger Nico Wennmacher, ein eingefleischter Gewerkschafter mit viel gewerkschaftlich-historischem Wissen, der sich via Salariatskammer (CSL) – dem lebendigen Parlament der Arbeit – immer noch gewerkschaftsintern sowie mit der Veröffentlichung gewerkschaftlich orientierter Presseartikel aktiv einzubringen versteht.
Auch der aktuelle Präsident, der emsige Georges Merenz, ein Gewerkschafter mit langjähriger Erfahrung in der aktiven Personalvertretung, sowie in der Verbandsleitung, führt die Tradition der historisch engagierten Bahngewerkschaft, tatkräftig unterstützt von seiner Mannschaft, in bekannter Manier weiter, und das auch in weiterführender, zukunftsorientierter Funktion als Vizepräsident des OGBL. Es sind Leute dieses Kalibers, von denen es in der Gewerkschaftsszene so manche gab und immer noch gibt, die sich im Einsatz gegen die profitsüchtigen Interessen der austauschbaren Mächtigen aus Politik und Kapital im positiven Sinne rabulistisch und rebellisch im Interesse des gesamten Salariats zu engagieren wissen. Gewerkschafter mit Stallgeruch, die immer noch so dringend gebraucht werden …
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