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Lobbyismus (Teil 2)

Lobbyismus (Teil 2)

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„Interessenvertretung ist nicht per se schlecht“, betonte ein Sprecher von LobbyControl, dieser bereits erwähnten NGO, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Öffentlichkeit über Lobbyisten, PR-Arbeit und Denkfabriken in Brüssel aufzuklären. „Die Probleme liegen in Machtungleichheiten, manipulativen Methoden und fehlender Transparenz und damit fehlender demokratischer Kontrolle. Wir wollen Bürgern, Journalisten und Wissenschaftlern ermöglichen, mehr Licht in den undurchsichtigen Brüsseler Lobby-Dschungel zu bringen“, so LobbyControl weiter.

Die Organisation verfügt über eine Datenbank, die auf freiwilligen Unternehmensangaben basiert. Doch auch US-Firmen nehmen starken Einfluss. Besonders drei große US-Unternehmen bringen sich in puncto Lobbyarbeit in der belgischen Hauptstadt in das bestehende Ranking ein: Der Tabakkonzern Philip Morris, das Energieunternehmen ExxonMobil und die IT-Firma Microsoft gaben schon Millionen Euro für Lobbyarbeit aus – und lagen damit an der Spitze aller Wirtschaftsunternehmen. Doch auch andere Firmen wie beispielsweise der Essener Spezialchemiekonzern Evonik Industries geben riesige Summen für ihre Interessenvertretung in Brüssel aus.

Hohe Lobbyausgaben

Die Axel Springer SE, zu der auch die Welt gehört, stand mit hohen Lobbyausgaben in der Datenbank. Nicht nur in Brüssel, sondern auch in Berlin gehen täglich Tausende Lobbyistinnen und Lobbyisten ein und aus. Hinter verschlossenen Türen mischen sie bei Gesetzen und Entscheidungen mit – und müssen nicht einmal offenlegen, für wen sie arbeiten oder wie viel Geld sie einsetzen. Dass Lobbyisten mit am Werk waren, kommt meist erst ans Licht, wenn sie schon immense Schäden angerichtet haben. Jüngstes Beispiel: Beim Abgas-Skandal, um auf das Thema „Dieselgate“ zurückzukommen, halfen Verflechtungen zwischen Autolobby und Politik dabei, die Manipulationen jahrelang zu vertuschen – ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt. Und, heuer aktuell: In Deutschland ist Wahlkampf. Kurz vor der Bundestagswahl müssen sich die Parteien der Öffentlichkeit stellen. Und die Botschaft der guten Lobby für die Bürgerrechte ist klar: Wir Bürgerinnen und Bürger wollen keine Regierung ohne Lobbyregulierung.

Bisher spielen Lobbyisten mit der Demokratie Katz und Maus. Selbst das Parlament weiß oft nicht, welche Interessenvertreter/innen an Gesetzentwürfen der Bundesregierung mitgeschrieben haben. Und niemand weiß, was unter dem Deckmantel des „Parteisponsorings“ geschieht, bei dem jedes Jahr viele Millionen Euro anonym an Parteien fließen. Damit Lobbyisten nicht länger unbemerkt Einfluss nehmen und demokratische Verfahren austricksen, werden klare Regeln eingefordert, meint ein verpflichtendes Lobbyregister, das Lobbyisten zur Offenlegung zwingt. Eine „Legislative Fußspur“, die Einflussnahmen auf Gesetze ans Tageslicht bringt – und zwar bevor sie beschlossen werden.

Einfluss eindämmen

Es geht darum, den Einfluss von Superreichen und Konzernen auf die Politik einzudämmen. Es braucht daher als ersten Schritt ein zentrales, öffentlich zugängliches Verzeichnis, in dem sich professionelle Lobbyist/innen verpflichtend registrieren. Dieses Transparenzregister würde auch Angaben zu Budget, beteiligten Personen und Politikfeld erfassen. Es würde verbindliche Regeln für alle Akteure schaffen – ob Verband, Unternehmen, Agentur oder Kanzlei. Ein solches Lobbyregister würde intransparente Einflussnahme erschweren und Interessenvertretung endlich regulieren.

Die Bändigung des Lobbyismus ist längst überfällig: Mehr und mehr Bürger/innen verlieren das Vertrauen in eine Politik, die immer wieder einseitig zugunsten mächtiger Interessengruppen entscheidet – und manche wenden sich Demokratiegegnern zu. Nichtsdestotrotz fehlt der Politik der letzten Jahre der politische Wille, die Courage zur Lobbykontrolle. Doch ohne Transparenz kann Demokratie nicht funktionieren. Beispielsweise hat „Dieselgate“ gezeigt, wie teuer der Schlendrian im Umgang mit Lobbyisten werden kann.

Ein Bekenntnis zum „Weiter so“ können sich die Politik und deren Glaubwürdigkeit einfach nicht mehr leisten! Im Sinne von: Man muss von Politikern erwarten können, dass Wort und Tat übereinstimmen. So jedenfalls Hans-Jochen Vogel, deutscher SPD-Politiker und Rechtsanwalt. Ach ja: Wer dirigiert? Die Politik oder die Konzerne?

Frank Bertemes