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Kapitalistische Dekadenz und Klassenherrschaft bei den Steuern

Kapitalistische Dekadenz und Klassenherrschaft bei den Steuern

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André Roeltgen, Präsident des OGBL, findet, der weltweite Steuerskandal sei durch nichts zu legitimieren.

Während der Zeit, die der Leser für die Lektüre dieses Artikels aufbringt, verschieben multinationale Konzerne rund 5 Millionen Euro in die Steueroasen. Jährlich 600 Milliarden Euro. Das ist nicht hinnehmbar, findet André Roeltgen, Präsident des Gewerkschaftsbunds OGBL.

Der Ökonom Gabriel Zucman beziffert die Geldsumme, die Superreiche in den Steuerparadiesen geparkt haben, auf 7,9 Billionen (7.900.000.000.000 ). Mit dieser Summe könnte man laut Süddeutscher Zeitung «alle Menschen, die derzeit Hunger leiden, rund 61 Jahre lang ernähren». Oder man könnte «alle Kinder weltweit, die keinen Zugang zu Bildung haben, knapp viereinhalb Jahre lang in eine Schule schicken, die deutschen Standards entspricht».

Andere Studien sprechen davon, dass den EU-Mitgliedstaaten jährlich durch Steuervermeidung und -hinterziehung ein Schaden von 1.000 Milliarden entsteht. Künstliche Gewinnverlagerungen multinationaler Unternehmen in Länder mit niedrigen Steuersätzen übertreffen in ihrer Summe den gesamten Haushalt der Europäischen Union. Panama Papers, LuxLeaks, Paradise Papers und alle die, die noch folgen werden, liefern wichtige Einblicke in dieses, im Interesse weniger, Billionen verschlingende Krebsgeschwür. Es ist ein dekadentes Produkt kapitalistischer Herrschaftsverhältnisse, das sich den Interessen der Weltgemeinschaft entgegensetzt und deren Gegenwarts- und Zukunftsperspektiven enormen Schaden zufügt.

Menschlich gesehen ist dieser weltweite Steuerskandal durch nichts zu legitimieren. Als höchste Form der ungerechten Verteilung des durch Arbeit geschaffenen Reichtums kann er sich weder durch bestehende Gesetze noch durch gesetzliche Schlupflöcher rechtfertigen. Solche Gesetze gehören abgeschafft und ihre Schlupflöcher zugestopft.

Entwendete Gelder

In der Frage der Besteuerung müssen die Parallelwelten, die in den vergangenen Jahrzehnten maßlos zwischen den Reichen und Kapitalbesitzern und dem Rest der Bevölkerungen politisch gebildet wurden, politisch ausradiert werden. Die entwendeten Gelder brauchen wir für unsere Zukunftsinvestitionen, für unsere Bildungs- und Gesundheitswesen, für unseren Sozialstaat und für den Aufbau einer karbonfreien und umweltschonenden Wirtschaft und Gesellschaft.

Und es geht um die demokratischen Verhältnisse in unserer Gesellschaft. Das Prinzip der Steuergerechtigkeit darf nicht zum schlechten Witz verkommen. In diesem Sinne geht es bei der aktuellen Diskussion nicht nur um das Krebsgeschwür der Steuerhinterziehung und der Steuervermeidung. Im Vordergrund steht ebenfalls und insbesondere in Europa der alles andere als sozial fortschrittlich und nachhaltig anzusehende Steuerwettbewerb zwischen den Ländern der Europäischen Union.

In nahezu allen Ländern hat dieser zu einer Spirale des Steuerdumpings geführt, der zum einen die haushaltspolitischen Spielräume der Staaten massiv eingeengt hat und zum anderen die allgemeine Steuerlast für die arbeitende Bevölkerung erhöht hat.

Zu welchen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen das geführt hat, haben all die letzten Jahre eindrucksvoll verdeutlicht. Jede zusätzlichen, gesetzlichen Maßnahmen zum Herabsetzen von Betriebs- und Kapitalsteuern sind sowohl wirtschaftlich wie auch sozial gesehen kontraproduktiv und vertiefen sowohl die Schieflage bei der Verteilung des geschaffenen Reichtums als auch die politischen und demokratischen Krisenprozesse. Die Politik muss die andere Richtung einschlagen.

Wenn EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani vorschlägt, den Haushalt der Europäischen Union zu verdoppeln und dafür neue EU-Eigenmittel wie etwa eine Finanztransaktionssteuer auf Börsengeschäfte vorschlägt, ist dies ein Schritt in die richtige Richtung. An der Entwicklung der europäischen Steuerharmonisierung und Steuertransparenz wird ebenfalls kein Weg vorbeiführen. Darauf muss sich Luxemburg einstellen. Dieser Weg ist im Sinn einer nach vorne gerichteten gemeinsamen europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik alternativlos.

Der OGBL hat die Steuerreform der aktuellen Regierung in vielen Punkten unterstützt. Das hält unsere Gewerkschaft aber nicht davon ab, von dieser Regierung zu fordern, dass sie im letzten Jahr der aktuellen Legislaturperiode noch drei Maßnahmen für mehr Steuergerechtigkeit bzw. für den Erhalt der Kaufkraft ergreift. Die erste ist die Befreiung des Mindestlohnverdieners von direkten Steuern. Die zweite ist die Einführung der automatischen Anpassung der Steuertabelle an die Preisentwicklung gegen die kaufkraftfressende sogenannte «kalte Progression». Spätestens mit dem Erfall der nächsten Indextranche müsste diese Maßnahme einsetzen. Die Gegenfinanzierung? Die Abschaffung des Steuerausfalls bei den Stock-Options. Die dritte Maßnahme.

mars
17. November 2017 - 7.37

Gelder die entwendet werden um Waffen zu kaufen sind auch durch nichts zu legitimieren !