Von Frank Bertemes
Und weiter: «Ich versuche, meine Eindrücke auszudrücken: kurz und fündig, geistreich und humorvoll, klar und verständlich, poetisch und philosophisch. Ich mache mir keine Sorgen – ich mache mir lieber Gedanken. Mit Aphorismen lässt sich vieles auf den Punkt bringen, und für den Rest gibt es ja Ruf- und Fragezeichen.»
O ja, sehr richtig. Der Aphorismus. Der Gedankensplitter. Oder, so der «Besserwisser», der Lehrspruch. Dann Ruf- und Fragezeichen, wobei das Fragezeichen (?) am Ende einer Frage und das Ausrufezeichen (!) oder Rufzeichen am Ende eines Ausrufesatzes, eines wichtigen, zu betonenden Satzes oder einer Aufforderung bzw. einem Befehl, steht.
Diese kleine Belehrung als Auffrischung der deutschen Sprachlehre sei an dieser Stelle erlaubt. Diese Satzzeichen, die sich in unserer modernen, in Zukunft immer mehr gewollten, faktisch diktiert «digitalen» Welt, die heuer in aller Munde ist, in der Tat einer zunehmenden Bedeutung erfreuen werden, sollen durchaus beabsichtigt in diesen Aufsatz einfließen, wie die geschätzte Leserschaft des Tageblatt in der Folge noch merken wird.
Digitale Zukunft
Um was geht es? Um die digitale Erfahrungswelt der Zukunft, die sich in vielerlei Hinsicht in unseren Alltag «einschleichen» wird, ja diesen unweigerlich bestimmen wird, ob wir, ob «digital natives» oder nicht, dies wollen oder nicht. Zu Deutsch: «digitale Ureinwohner», Menschen also, die in der digitalen Welt aufgewachsen sind. Oder ob «zu früher Geburt» mit dieser «neuen, modernen Welt» konfrontiert werden, mit oder ohne Begeisterung – und gefragt wird sowieso niemand! Wissend, wie erschöpfend die Diskussionen um dieses Thema der digitalen Welt sind, werden sich unweigerlich völlig neue Herausforderungen an die sich neu zu definierende Gesellschaft stellen. Die digitale Welt – die viel diskutierte, die grenzenlos sein wird. Um was geht es eigentlich, mag man sich fragen?
Auf den ersten Blick könnte man zu der Annahme kommen, das Internet mit der digitalen Welt gleichzusetzen. Auch wenn das Internet natürlich eine technische Komponente, nämlich das Netzwerk, darstellt, das selbstverständlich elementar für das Funktionieren der digitalen Welt ist, reicht es aber zur alleinigen Beschreibung nicht aus.
Man kann die digitale Welt wie folgt definieren: die Summe aller Programme, Medien, Dienstleistungen und Funktionen, die weltweit in digitalisierter Form vorliegen und über Schnittstellen bzw. Zugriffspunkte grundsätzlich für jeden zugänglich und (be)nutzbar sind. Doch da gibt es noch weitere Definitionen, die uns trotzdem nicht weiter aufhalten sollen.
So sind auch folgende Bemerkungen zum Thema, die durchaus richtungsweisend zu lesen sind, sehr aufschlussreich. Der Einsatz von digitalen Bildern und Videos ist heutzutage in virtuellen Netzen nicht mehr wegzudenken.
Schnell wird ein Foto erstellt und per MMS verschickt, per soziales Netzwerk, wie Facebook beispielsweise, als neues Profilbild hochgeladen oder die neusten Ferienfotos werden via Flickr den Freunden zur Verfügung gestellt.
Die Möglichkeiten, im «www» (World Wide Web) – das weltweite Netz, die Erfindung, die die Welt drastisch veränderte – Informationen und Fotografien auszutauschen, sind grenzenlos. Fotografien erzeugen neuartige Interaktionsmuster der Kommunikation, Information und Selbst-Präsentation. Ohne weitere Bewertung, trotzdem kann man es sich nicht verkneifen, folgendes (im Sinne des Titels dieses Textes) zu bemerken: Dem «Ich» Form und Farbe geben, das «Ich», das bei vielen allerdings immer farbloser und inhaltsleerer wird, fototechnisch in Szene setzen, beispielsweise mit den heutzutage sehr beliebten «Selfies», dem «Selfie-Hype», der sich daraus ergibt, sprich dem Rausch der Selbstinszenierung, dem «in modern times» so viele frönen.
Kritisch betrachtet
Generell angesagt und kritisch betrachtet, jeden Blödsinn irgendwo mittels digitaler Technik in die Welt hinausschicken, ohne sich eventueller Konsequenzen, die diese «Inszenierungen» möglicherweise haben können, bewusst zu sein. Wie viele haben schon so manches bereut …? Auch die sogenannten «Online Communities» stellen geschlossene, soziale Systeme dar. Ihnen fehlen der Kontakt und die Beziehung zur Außenwelt. Die Ablösung aus so einem geschlossenen System fällt vielen schwer. Es sind definitiv Suchtstrukturen, die ein «Leben ohne» nur schwer ermöglichen, wie Experten uns warnen.
Nur – das alles interessiert viele Zeitgenossen überhaupt nicht –, das «Digitale» diktiert unseren Alltag. Und wir fressen mehrheitlich bekanntlich so ziemlich alles, was uns eingetrichtert wird. Eine rein digitale Erfahrungswelt distanziert sich jedoch vom Sinnlichen, Empathischen und Intuitiven.
Diese kann eine Kluft zwischen dem «Ich» und der Mitwelt, also dem «Wir», von dem sich der, wie einige ihn bezeichnen, «homo sapiens digitalis» (absichtlich) immer mehr entfernen will, selbstredend fördern.
Ein Beziehungsaufbau zum realen «Du» kommt nicht zustande, da es an Nähe, Weite, Übereinstimmung, Divergenz etc. fehlt. Dies kann ein Gefühl des Ich-Verlustes auslösen. In dieser Bedürftigkeit wird das virtuelle Gegenüber als «Es» wahrgenommen, auf das irgendeine Vorstellung projiziert wird. So ein intellektueller, sozialkritischer Gedankengang zum Thema, der allerdings zu denken gibt …
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